Mittwoch, 5. September 2007
pekingsommer, 12:07h
Menschen pro Quadratmeter U-Bahn, Hupgeräusche pro Wimpernschlag, Delikatessen pro Yuan - Peking ließe sich schon in Zähleinheiten zwängen. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Willkommen.














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Das Duracell-Hasen-Syndrom
pekingsommer, 12:07h
Einkaufen in China verdient einfach einen eigenen Eintrag. Wer auf der Suche nach Markenschnäppchen ist und dabei Wert auf Originale legt, sollte unbedingt in Hongkong einkaufen - aber nicht denken, in Festlandchina wirds billiger! Hier gibts nämlich eine Luxussteuer, so dass Markenware vergleichbar teuer ist wie bei uns oder sogar noch teurer.
Jetzt gibt es aber Gerüchte, dass in China viel kopiert wird und diese Ware, die dem Original manchmal täuschend ähnlich sehen soll, für n Appel und n Ei zu haben ist... Natürlich würde ich niemals etwas derart unrechtmäßig vertriebenes erwerben - aber gucken kann man ja mal. Also haben Conny und ich uns verschiedene, sagen wir mal Vertriebswege angeschaut. Eine Komödie in zwei Akten.
Akt 1
Das Untergeschoss eines mehrstöckigen Kleidermarktes irgendwo in China. Abteilung für Schuhe, Taschen und Gürtel. In ihren Buden-Boxen dösen Verkäuferinnen und Verkäufer vor sich hin. Auftritt Ich (will mich nur mal umschauen). Verkäufer-Sensor reagiert, Programm startet (Conny hat dafür den Begriff "Duracell-Hasen-Syndrom" geprägt): Verkäufer tritt einen Schritt vor, hebt den Kopf, schaut, zögert kurz und legt dann die Englisch-Platte auf:
Gürtel-Verkäufer: Lädie, come looka looka!
Ich (weiterlaufend): No, thank you.
Gürtel-Verkäufer: Very cheap!
Ich (naiv): No, thanks, I don´t need a belt.
Verkäufer: Cheap, very cheap. Cheaper for you! Where are you from?
Ich: Germany.
Verkäufer: Ah! Billiger!
Ich (erstaunt, kurz zögernd): No, I don´t want it, thank you.
Gürtel-Verkäufer (unbeeindruckt): Tell me best price!
Ich (schon zwei Stände weiter): I don´t want any.
Gürtel-Verkäufer: Cheaper!
Gürtel-Verkäufer zieht sich rückwärts in seine Box zurück und döst weiter mit gesunkenem Kopf.
Auftritt Schuh-Verkäuferin, sie sperrt mir den Weg ab.
Schuh-Verkäuferin: Lädie, want shoes!
Ich (nicht uninteressiert): What size do you have?
Schuh-Verkäuferin: ...
Ich: Biggest size?
Schuh-Verkäuferin: Looka, best quality!
Ich: OK, what – size – you - have? (male 41 in die Luft)
Schuh-Verkäuferin: OK, OK, how many do you want?
Ich: I want to try this one in 41.
Schuh-Verkäuferin: OK, wait a moment.
Ich (in freudiger Erwartung)
Schuh-Verkäuferin gibt mir Schuh (Todds in einer Prada Schachtel) mit aufgedruckter 41. Fehlen mindestens zwei Zentimeter. Offenbar andere Standards.
Ich: It´s too small.
Schuh-Verkäuferin: It´s OK! Good quality!
Ich (mit verbogenen Zehen in ausgebeultem Schuh): ?? Look!
Schuh-Verkäuferin (siehts ein): OK, try this one, more space! (zeigt auf einen offenen Schuh).
Ich (muss lachen): No, thank you.
Schuh-Verkäuferin: Give best price!
Ich (muss immer noch lachen): I don´t want it.
Schuh-Verkäuferin: Need shoes!
Ich (ein bisschen beleidigt): No, my shoes are fine!
Lasse den Schuhstand hinter mir, komme aber nicht weit. Taschenabteilung...
Eine hübsche Bottega Veneta-Imitation fängt meinen Blick. Die Verkäuferin auch.
Taschen-Verkäuferin (schon im Begriff, die von mir angeschaute Tasche vom Regal zu holen): Lädie, want nice bag? Handmade. Real leather.
Ich (nehme die Tasche und fühle Vollplastik): How much?
Taschen-Verkäuferin (zaubert einen Taschenrechner hervor und tippt ein): 1600 (Anmerkung: Das wären dann 160 Euro)
Ich: Das ist ja wohl ein Witz.
Taschen-Verkäuferin: Very cheap, handmade, real leather, looka!
Ich (wende mich empört ab): ...
Taschen-Verkäuferin (ruft mir hinterher): You give me best price!
Ich (ignoriere sie)
Taschen-Verkäuferin (ruft lauter): Lädie! You give me best price! Good quality!
Ich (genervt, schon drei Stände weiter)
Taschen-Verkäuferin (mittlerweile recht biestig, kommt hinterher, packt mich an meiner Umhängetasche, zerrt mich zurück und zerkratzt mir dabei den Rücken): You give best price!!
Ich (stinksauer): Let go!
Taschen-Verkäuferin: I give cheaper!
Ich (verkneife mir unter größter Anstrengung Handgreiflichkeiten und Kraftausdrücke) suche das Weite und brauche erst einmal eine Shoppingpause.
Akt 2
Eine Einkaufsstraße in der Innenstadt. Gemütlich schlendern wir an diversen Geschäften vorbei, da stürzt plötzlich hinter einem Ampelpfosten ein dürrer Mann hervor und wedelt mit einem laminierten Blatt unter unseren Nasen herum.
Verkäufer: Wanna watch! Gucci, Rolex!
Ich (noch gut gelaunt): No, thanks.
Verkäufer: You want nice baaags, hä?
Ich: No.
Verkäufer: LV bags, nice bags, Gucci, Prada!
Ich: I don´t want any.
Verkäufer: Footmassage?!
Ich: ?
Zweiter Verkäufer kommt angerannt, wedelt auch mit einem laminierten Zettel: He Lädie! Bags!
Ich (schon ein bisschen genervt, zu Conny gewandt, die klug war und schon ein bisschen weiter gelaufen ist): Also jetzt hab ich bald keine Lust mehr.
Verkäufer 1 versucht sein Glück zwischendurch bei einem Westler, der uns entgegenkommt. Mit halbem Ohr höre ich die erweiterte Produktpalette: Want nice chinese girls, very young, nice!
Mann lacht, läuft aber weiter. Ich wundere mich.
Jetzt gibt es aber Gerüchte, dass in China viel kopiert wird und diese Ware, die dem Original manchmal täuschend ähnlich sehen soll, für n Appel und n Ei zu haben ist... Natürlich würde ich niemals etwas derart unrechtmäßig vertriebenes erwerben - aber gucken kann man ja mal. Also haben Conny und ich uns verschiedene, sagen wir mal Vertriebswege angeschaut. Eine Komödie in zwei Akten.
Akt 1
Das Untergeschoss eines mehrstöckigen Kleidermarktes irgendwo in China. Abteilung für Schuhe, Taschen und Gürtel. In ihren Buden-Boxen dösen Verkäuferinnen und Verkäufer vor sich hin. Auftritt Ich (will mich nur mal umschauen). Verkäufer-Sensor reagiert, Programm startet (Conny hat dafür den Begriff "Duracell-Hasen-Syndrom" geprägt): Verkäufer tritt einen Schritt vor, hebt den Kopf, schaut, zögert kurz und legt dann die Englisch-Platte auf:
Gürtel-Verkäufer: Lädie, come looka looka!
Ich (weiterlaufend): No, thank you.
Gürtel-Verkäufer: Very cheap!
Ich (naiv): No, thanks, I don´t need a belt.
Verkäufer: Cheap, very cheap. Cheaper for you! Where are you from?
Ich: Germany.
Verkäufer: Ah! Billiger!
Ich (erstaunt, kurz zögernd): No, I don´t want it, thank you.
Gürtel-Verkäufer (unbeeindruckt): Tell me best price!
Ich (schon zwei Stände weiter): I don´t want any.
Gürtel-Verkäufer: Cheaper!
Gürtel-Verkäufer zieht sich rückwärts in seine Box zurück und döst weiter mit gesunkenem Kopf.
Auftritt Schuh-Verkäuferin, sie sperrt mir den Weg ab.
Schuh-Verkäuferin: Lädie, want shoes!
Ich (nicht uninteressiert): What size do you have?
Schuh-Verkäuferin: ...
Ich: Biggest size?
Schuh-Verkäuferin: Looka, best quality!
Ich: OK, what – size – you - have? (male 41 in die Luft)
Schuh-Verkäuferin: OK, OK, how many do you want?
Ich: I want to try this one in 41.
Schuh-Verkäuferin: OK, wait a moment.
Ich (in freudiger Erwartung)
Schuh-Verkäuferin gibt mir Schuh (Todds in einer Prada Schachtel) mit aufgedruckter 41. Fehlen mindestens zwei Zentimeter. Offenbar andere Standards.
Ich: It´s too small.
Schuh-Verkäuferin: It´s OK! Good quality!
Ich (mit verbogenen Zehen in ausgebeultem Schuh): ?? Look!
Schuh-Verkäuferin (siehts ein): OK, try this one, more space! (zeigt auf einen offenen Schuh).
Ich (muss lachen): No, thank you.
Schuh-Verkäuferin: Give best price!
Ich (muss immer noch lachen): I don´t want it.
Schuh-Verkäuferin: Need shoes!
Ich (ein bisschen beleidigt): No, my shoes are fine!
Lasse den Schuhstand hinter mir, komme aber nicht weit. Taschenabteilung...
Eine hübsche Bottega Veneta-Imitation fängt meinen Blick. Die Verkäuferin auch.
Taschen-Verkäuferin (schon im Begriff, die von mir angeschaute Tasche vom Regal zu holen): Lädie, want nice bag? Handmade. Real leather.
Ich (nehme die Tasche und fühle Vollplastik): How much?
Taschen-Verkäuferin (zaubert einen Taschenrechner hervor und tippt ein): 1600 (Anmerkung: Das wären dann 160 Euro)
Ich: Das ist ja wohl ein Witz.
Taschen-Verkäuferin: Very cheap, handmade, real leather, looka!
Ich (wende mich empört ab): ...
Taschen-Verkäuferin (ruft mir hinterher): You give me best price!
Ich (ignoriere sie)
Taschen-Verkäuferin (ruft lauter): Lädie! You give me best price! Good quality!
Ich (genervt, schon drei Stände weiter)
Taschen-Verkäuferin (mittlerweile recht biestig, kommt hinterher, packt mich an meiner Umhängetasche, zerrt mich zurück und zerkratzt mir dabei den Rücken): You give best price!!
Ich (stinksauer): Let go!
Taschen-Verkäuferin: I give cheaper!
Ich (verkneife mir unter größter Anstrengung Handgreiflichkeiten und Kraftausdrücke) suche das Weite und brauche erst einmal eine Shoppingpause.
Akt 2
Eine Einkaufsstraße in der Innenstadt. Gemütlich schlendern wir an diversen Geschäften vorbei, da stürzt plötzlich hinter einem Ampelpfosten ein dürrer Mann hervor und wedelt mit einem laminierten Blatt unter unseren Nasen herum.
Verkäufer: Wanna watch! Gucci, Rolex!
Ich (noch gut gelaunt): No, thanks.
Verkäufer: You want nice baaags, hä?
Ich: No.
Verkäufer: LV bags, nice bags, Gucci, Prada!
Ich: I don´t want any.
Verkäufer: Footmassage?!
Ich: ?
Zweiter Verkäufer kommt angerannt, wedelt auch mit einem laminierten Zettel: He Lädie! Bags!
Ich (schon ein bisschen genervt, zu Conny gewandt, die klug war und schon ein bisschen weiter gelaufen ist): Also jetzt hab ich bald keine Lust mehr.
Verkäufer 1 versucht sein Glück zwischendurch bei einem Westler, der uns entgegenkommt. Mit halbem Ohr höre ich die erweiterte Produktpalette: Want nice chinese girls, very young, nice!
Mann lacht, läuft aber weiter. Ich wundere mich.
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Montag, 20. August 2007
27 Stunden Schmerz
pekingsommer, 07:35h
Am 14. August um zehn Uhr und 23 Minuten hätte ich beinahe einen Chinesen aus dem fahrenden Zug geworfen. Oder zwei. Zu dem Zeitpunkt erschien es meinem gehirngewaschenem Kopf eine sinnvolle Idee. Stunde 27 der Zugfahrt von Beijing nach Guilin war zur Hälfte um, das heißt mehr als 26 ausgesessene Stunden mit viel Geschrei, Stapelsitzen, Kerneknackerei und angestarrt werden lagen hinter uns.
Den Anfang einer entspannten Woche in der Natur hatten wir uns irgendwie anders vorgestellt – entspannter vielleicht. Der Stress ging schon los, als ich quer durch Peking getourt bin, um Tickets für den Schlafwagen zu bekommen. Keine Chance, nicht in zehn Tagen. Da wir uns die als Paradies gepriesene Gegend um Guilin aber auf keinen Fall entgehen lassen wollten, nahm das Unglück seinen Lauf: Ich kaufte zwei Hard-Seater-Tickets. Das bedeutet Sitzen im rechten Winkel, Sitzflexibilität gegen Null, dafuer viel Körperkontakt und das Ganze für 27 Stunden ohne Unterbrechung oder Ruhepause.

Was wir beim Ticketkauf noch nicht wussten war, dass auch mehr als genug Leute Stehplätze gekauft hatten. Füße vertreten Fehlanzeige. Außerdem nutzten sie verständlicherweise jede Gelegenheit, wenigstens kurz zu sitzen. Ich war aber schon ein bisschen irritiert, als ich vom Bad zurück kam und auf meinem Platz eine kleine Frau schlief, die sicher jenseits der 70 war. Tja, was macht man da außer zu warten, bis sie wieder wach wird und zu hoffen, dass sie den Platz freiwillig freigibt (denn wer will schon einer alten Frau sagen, dass sie sich doch bitte wieder in den Gang stellen soll).
Auf so einer Zugfahrt lernt man eine Menge über sich selbst. Ich bin zum Beispiel überraschend flexibel, was die hygienischen Umstände betrifft. Meine Grenzen sind aber in folgenden Fällen überschritten:
1. Wenn ein Minimum an Privatsphäre nicht gegeben ist (das beinhaltet 40 Zentimeter unantastbare Sitzfläche und nicht ununterbrochen beguckt und fotografiert werden wie ein besonders seltenes Exemplar im Zoo - beim Essen, Schlafen, aufs Klo gehen). 2. Wenn NIE und in keiner Sekunde Ruhe herrscht, auch nicht nachts (das würde nämlich lautes Geschrei aus unersichtlichem Grund um drei Uhr Früh und das Kinderspiel „Ich-kloppe-mit-einer-Pfandflasche-auf-ein-Metalltablett-ein“ ausschließen).
Endstation Natur
Ende gut, alles gut – Yangshuo entschädigt für alle Strapazen der Anreise. Ich war ein bisschen misstrauisch ob der ganzen hübschen Postkartenfotos der Region. Es hätte mich nicht gewundert, gäbe es hier genau drei Karstberge, die aus allen erdenklichen Perspektiven fotografiert und per Photoshop vervielfacht wurden. Aber auf der 60-Kilometer-Busfahrt von Giulin nach Yangshuo reichen sie, soweit man schauen kann. Und der Ausblick aus unserem Zimmer ist schon fast unverschämt.

Nach fünf Wochen Peking ist es richtig schön, in der Natur zu sein. Die Atmosphäre in Yangshuo ist extrem entspannt und ein durchschnittlicher Tag hier besteht aus leckerem Essen, durch den Ort flanieren und die größte Herausforderung ist schon die Auswahl der Kneipe für den Abend.
Weil wir uns als Touristen aber auch unserer Pflicht bewusst sind (Volkswirtschaft stärken durch Investitionen in Souvenirs, Eintrittsgelder und Tourengebühren), hatten wir uns für Freitag den Wecker auf fünf Uhr gestellt, denn um sechs sollte die Fahrt los gehen Richtung Li Jiang Flussfahrt.
Cowboy mit offener Hose
Besonders toll war, dass uns so viel vom Tag blieb. Wieviel ahnten wir noch nicht. Erstmal wurden wir in einem überbesetzten Bus (Conny und ich bekamen Plastikhocker, um es uns im Gang gemütlich zu machen) in ein Kaff gefahren, wo wir in so eine Art Golfplatzauto umsteigen mussten, das wie sich herausstellte viel geländetauglicher war, als es aussah.
Mit dem Boot samt chinesischer Reiseleitung gings dann ein Stück den Fluss runter. Alle paarhundert Meter erklärte der Fahrer irgendwas zu einem der Berge, ein Raunen ging durch die Chinesen, alle sprangen auf (Achtung, Schieflage) und fotografierten. Ich fotografierte vorsichtshalber auch, man weiß ja nie.

Nach vielleicht 20 Minuten hielten wir auf eine große Kiesbank am Ufer zu und ich ahnte schon Schlimmstes angesichts der bunten Schirmchen, die ich von weitem sah. Alle aussteigen, Souvenirs gucken und vielleicht einen Flusskrebsspieß auf die Hand (war ja auch schon fast acht). Bei der fotografischen Dokumentation dieser Szenerie geriet mir ein alter Mann mit einem großen und einem kleinen Wasserbüffel vor die Linse.
Unglücklicherweise ist ihm das nicht verborgen blieben, also ritt er in bester Marlboro-Cowboy-Manier zu mir rüber und ehe ich fliehen konnte hatte er meinen Arm gepackt und forderte zwei Yuan für das Foto. Abgesehen davon, dass der Alte deutlich mehr Kraft hatte, als er aussah und mir der Daumenabdruck noch einen Tag erhalten blieb, stand sein Hosenstall sperrangelweit offen und die besten Zähne hatte er auch nicht – sprich, ich hätte ihm gerne zwei Yuan gegeben. Hatte aber keine. Conny hat mich schließlich aus der misslichen Lage befreit und einen Zehner geopfert. Rausgegeben hat der Cowboy natürlich nicht, aber für die Riesensumme hat er dann zwei Extrarunden für uns gepost.

Um zehn Uhr waren wir zurück im Hostel und konnten den Tag wie gewohnt weiterführen: flanieren, essen, Scherenschnitte ausschlagen. In jedem Touristenort in China gibt es ein paar Besonderheiten an Souvenirs. In Yangshuo sind das selbstbemalte Textilien (zum Beispiel Stoffschuhe mit Snoopy oder Harry Potter oder T-Shirts mit Osama Bin Laden, Hitler oder Beckham).
Außerdem gibt es mindestens einen selbstständigen und vermutlich hauptberuflichen Scherenschnittmacher. Der junge Mann rennt den ganzen Tag durch den Ort und scherenschneidet Touristen, die gerade irgendwo sitzen und essen. Uns hat der Gute dreimal geschnitten, bevor ers drangegeben hat.
In Guilin trägt der örtliche Scherenschnittmacher Hosen mit großen roten Punkten und arbeitet auf einem Berg der Kategorie AAAA (je mehr A´s, desto wichtiger ist die Sehenswürdigkeit aus Sicht der Chinesen, die so was klassifizieren). Vielleicht spekuliert er mit der Wirkung des Sauerstoffmangels auf die Zurechnungsfähigkeit der Touristen, die sich bei 40 Grad und Sonnenschein dort hochquälen.
In Guilin verbringen wir die drei Tage vor der Weiterfahrt nach Shanghai. Nach einer ziemlichen Zitterpartie beim Ticketkauf (das Geld wurden wir schnell los, die Tickets ließen etliche Tage auf sich warten) freuen wir uns jetzt auf die Fahrt im Hard-Sleeper-Abteil. Freundlicherweise haben die Menschen, die die Tickets gegen Gebühr für uns besorgt haben, nach eigener Auskunft alles getan, um uns zwei Betten ganz oben im Abteil zu kaufen. Wie unsere Reise auf Höhe der Gepäckablage gelaufen ist, gibt’s dann demnächst hier zu lesen.
Den Anfang einer entspannten Woche in der Natur hatten wir uns irgendwie anders vorgestellt – entspannter vielleicht. Der Stress ging schon los, als ich quer durch Peking getourt bin, um Tickets für den Schlafwagen zu bekommen. Keine Chance, nicht in zehn Tagen. Da wir uns die als Paradies gepriesene Gegend um Guilin aber auf keinen Fall entgehen lassen wollten, nahm das Unglück seinen Lauf: Ich kaufte zwei Hard-Seater-Tickets. Das bedeutet Sitzen im rechten Winkel, Sitzflexibilität gegen Null, dafuer viel Körperkontakt und das Ganze für 27 Stunden ohne Unterbrechung oder Ruhepause.

Was wir beim Ticketkauf noch nicht wussten war, dass auch mehr als genug Leute Stehplätze gekauft hatten. Füße vertreten Fehlanzeige. Außerdem nutzten sie verständlicherweise jede Gelegenheit, wenigstens kurz zu sitzen. Ich war aber schon ein bisschen irritiert, als ich vom Bad zurück kam und auf meinem Platz eine kleine Frau schlief, die sicher jenseits der 70 war. Tja, was macht man da außer zu warten, bis sie wieder wach wird und zu hoffen, dass sie den Platz freiwillig freigibt (denn wer will schon einer alten Frau sagen, dass sie sich doch bitte wieder in den Gang stellen soll).
Auf so einer Zugfahrt lernt man eine Menge über sich selbst. Ich bin zum Beispiel überraschend flexibel, was die hygienischen Umstände betrifft. Meine Grenzen sind aber in folgenden Fällen überschritten:
1. Wenn ein Minimum an Privatsphäre nicht gegeben ist (das beinhaltet 40 Zentimeter unantastbare Sitzfläche und nicht ununterbrochen beguckt und fotografiert werden wie ein besonders seltenes Exemplar im Zoo - beim Essen, Schlafen, aufs Klo gehen). 2. Wenn NIE und in keiner Sekunde Ruhe herrscht, auch nicht nachts (das würde nämlich lautes Geschrei aus unersichtlichem Grund um drei Uhr Früh und das Kinderspiel „Ich-kloppe-mit-einer-Pfandflasche-auf-ein-Metalltablett-ein“ ausschließen).
Endstation Natur
Ende gut, alles gut – Yangshuo entschädigt für alle Strapazen der Anreise. Ich war ein bisschen misstrauisch ob der ganzen hübschen Postkartenfotos der Region. Es hätte mich nicht gewundert, gäbe es hier genau drei Karstberge, die aus allen erdenklichen Perspektiven fotografiert und per Photoshop vervielfacht wurden. Aber auf der 60-Kilometer-Busfahrt von Giulin nach Yangshuo reichen sie, soweit man schauen kann. Und der Ausblick aus unserem Zimmer ist schon fast unverschämt.

Nach fünf Wochen Peking ist es richtig schön, in der Natur zu sein. Die Atmosphäre in Yangshuo ist extrem entspannt und ein durchschnittlicher Tag hier besteht aus leckerem Essen, durch den Ort flanieren und die größte Herausforderung ist schon die Auswahl der Kneipe für den Abend.
Weil wir uns als Touristen aber auch unserer Pflicht bewusst sind (Volkswirtschaft stärken durch Investitionen in Souvenirs, Eintrittsgelder und Tourengebühren), hatten wir uns für Freitag den Wecker auf fünf Uhr gestellt, denn um sechs sollte die Fahrt los gehen Richtung Li Jiang Flussfahrt.
Cowboy mit offener Hose
Besonders toll war, dass uns so viel vom Tag blieb. Wieviel ahnten wir noch nicht. Erstmal wurden wir in einem überbesetzten Bus (Conny und ich bekamen Plastikhocker, um es uns im Gang gemütlich zu machen) in ein Kaff gefahren, wo wir in so eine Art Golfplatzauto umsteigen mussten, das wie sich herausstellte viel geländetauglicher war, als es aussah.
Mit dem Boot samt chinesischer Reiseleitung gings dann ein Stück den Fluss runter. Alle paarhundert Meter erklärte der Fahrer irgendwas zu einem der Berge, ein Raunen ging durch die Chinesen, alle sprangen auf (Achtung, Schieflage) und fotografierten. Ich fotografierte vorsichtshalber auch, man weiß ja nie.

Nach vielleicht 20 Minuten hielten wir auf eine große Kiesbank am Ufer zu und ich ahnte schon Schlimmstes angesichts der bunten Schirmchen, die ich von weitem sah. Alle aussteigen, Souvenirs gucken und vielleicht einen Flusskrebsspieß auf die Hand (war ja auch schon fast acht). Bei der fotografischen Dokumentation dieser Szenerie geriet mir ein alter Mann mit einem großen und einem kleinen Wasserbüffel vor die Linse.
Unglücklicherweise ist ihm das nicht verborgen blieben, also ritt er in bester Marlboro-Cowboy-Manier zu mir rüber und ehe ich fliehen konnte hatte er meinen Arm gepackt und forderte zwei Yuan für das Foto. Abgesehen davon, dass der Alte deutlich mehr Kraft hatte, als er aussah und mir der Daumenabdruck noch einen Tag erhalten blieb, stand sein Hosenstall sperrangelweit offen und die besten Zähne hatte er auch nicht – sprich, ich hätte ihm gerne zwei Yuan gegeben. Hatte aber keine. Conny hat mich schließlich aus der misslichen Lage befreit und einen Zehner geopfert. Rausgegeben hat der Cowboy natürlich nicht, aber für die Riesensumme hat er dann zwei Extrarunden für uns gepost.



Um zehn Uhr waren wir zurück im Hostel und konnten den Tag wie gewohnt weiterführen: flanieren, essen, Scherenschnitte ausschlagen. In jedem Touristenort in China gibt es ein paar Besonderheiten an Souvenirs. In Yangshuo sind das selbstbemalte Textilien (zum Beispiel Stoffschuhe mit Snoopy oder Harry Potter oder T-Shirts mit Osama Bin Laden, Hitler oder Beckham).
Außerdem gibt es mindestens einen selbstständigen und vermutlich hauptberuflichen Scherenschnittmacher. Der junge Mann rennt den ganzen Tag durch den Ort und scherenschneidet Touristen, die gerade irgendwo sitzen und essen. Uns hat der Gute dreimal geschnitten, bevor ers drangegeben hat.
In Guilin trägt der örtliche Scherenschnittmacher Hosen mit großen roten Punkten und arbeitet auf einem Berg der Kategorie AAAA (je mehr A´s, desto wichtiger ist die Sehenswürdigkeit aus Sicht der Chinesen, die so was klassifizieren). Vielleicht spekuliert er mit der Wirkung des Sauerstoffmangels auf die Zurechnungsfähigkeit der Touristen, die sich bei 40 Grad und Sonnenschein dort hochquälen.
In Guilin verbringen wir die drei Tage vor der Weiterfahrt nach Shanghai. Nach einer ziemlichen Zitterpartie beim Ticketkauf (das Geld wurden wir schnell los, die Tickets ließen etliche Tage auf sich warten) freuen wir uns jetzt auf die Fahrt im Hard-Sleeper-Abteil. Freundlicherweise haben die Menschen, die die Tickets gegen Gebühr für uns besorgt haben, nach eigener Auskunft alles getan, um uns zwei Betten ganz oben im Abteil zu kaufen. Wie unsere Reise auf Höhe der Gepäckablage gelaufen ist, gibt’s dann demnächst hier zu lesen.
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Donnerstag, 9. August 2007
Olympia-Terror
pekingsommer, 08:43h
Olympia ist in Peking dieser Tage allgegenwärtig. Und ich glaube, wenns endlich soweit ist, ist diese Stadt nicht wiederzuerkennen. Taxifahrer machen Englischkurse, überall in Peking werden an Ständen Volunteers angeworben, die U-Bahnen sind zugekleistert mit Benimmregeln (wie stelle ich mich richtig an, warum trage ich mein T-Shirt nicht hochgekrempelt, auf den Boden rotzen ist nicht schicklich). Und die Olympia-Maskottchen und verwandte Organisationseinheiten müssen sowieso für alles herhalten - und wenns Bauzäune sind.

Seit einer guten Woche fahren angeblich eine Million Autos weniger in Peking, um zu testen, welche Auswirkungen das auf die Luftqualität hat (naja, vielleicht dauert das seine Zeit, bis man Effekte sieht...). Schließlich wäre das für die Publicity ziemlich schlecht, würde die Hälfte der Marathonläufer am Abschlusstag der Spiele auf der Strecke zusammenbrechen.
Und auch das Wetter wird nicht dem Zufall überlassen (und schon gar nicht der Natur): Seit einer Weile testen die Chinesen, wie sie die Wolken über der Stadt wegschießen können (mit so kleinen Raketen). Ich habe einen schönen Beitrag gesehen, in dem die Verantwortliche erklärt hat, kleine Wolken hätten sie schon im Griff, aber an den dicken Regenwolken arbeiten sie noch.
Die Arbeiten an den Sportstätten sollen angeblich super vorankommen und teilweise schon so gut wie abgeschlossen sein. Im chinesischen Fernsehen sah ich kürzlich eine Moderation mit dem neuen Nationalstadion im Hintergrund. Tolles Ding, das wollte ich aus nächster Nähe sehen. Als wir dort ankamen, fanden wir uns auf einer Baustelle (natürlich). Aber beeindruckend ist das "Vogelnest" auch jetzt schon.

Je näher man dran ist, desto weniger bekommt man mit. Das ist ja leider allzu oft so. Also habe ich leider die Aktion von Reporter ohne Grenzen verpasst, bei der ich nur zu gerne dabei gewesen wäre. Sie wollten in Peking darauf aufmerksam machen, dass es mit der Pressefreiheit immer noch nicht so weit her ist. Die Pressekonferenz und anschließende Minidemo (auf der sie T-Shirts trugen, die die olympischen Ringe als Handschellen zeigen) reichten offenbar aus, um Sicherheitskräfte auf den Plan zu rufen, die die anwesenden Journalisten für eine Weile festhielten.
Mehr Infos zu der Aktion gibt es hier auf der Homepage von Reporter ohne Grenzen.
Und dann waren da noch die Ein-Jahr-vor-Olympia-Feierlichkeiten am 8.8. um acht nach acht abends (die 8 verheißt den Chinesen Glück und Reichtum - vielleicht auch in umgekehrter Reihenfolge). "We are ready" sollte da gesungen werden, eine tolle Show auf dem Platz des Himmlischen Friedens war angekündigt.
OK, ich muss zugeben, ich hatte ohnehin nicht damit gerechnet, was von dem Spektakel zu sehen. Und so richtig nah ran kam ich auch nicht. Aber ich war gespannt, was drumherum so passieren würde (gerade in China kann ich an keinem Menschenauflauf vorbei gehen, man weiß ja nie).
Zusammen mit dem "einfachen Pekinger Volk" (so ist das auf n-tv zu lesen) verbrachte ich die zwei Stunden vor dem angekündigten Beginn der Feierlichkeit damit, eine bessere Sicht auf den Eingang zur Verbotenen Stadt an der Nordseite des Platzes des Himmlischen Frieden zu suchen, denn dort spielte sich alles ab.
Das einfache Pekinger Volk hätte sich der Einfachheit halber die Zeremonie lieber im Staatsfernsehen ansehen sollen. Zehn Meter vor jedem günstigen Aussichtspunkt war eine Polizeiabsperrung. Also sahen wir Baumkronen, Busse, Häuserecken, Hinterhöfe (durch die wir versuchsweise auch mal gelaufen sind, in der Hoffnung durch irgendein Haus auf die näher gelegene Straße zu kommen - vergeblich). Je näher der Beginn rückte, desto zahlreicher wurden die Absperrungen.
Und dann passierte es: Aus dem Augenwinkel sah ich rennende Menschen, die sich den Weg durch eine Absperrung gebahnt hatten und jetzt als Menschenmasse quer über die große (noch befahrene) Kreuzung im Süden des Platzes walzten. Direkt am Südende des Tiananmen kamen sie vor dem weißen Polizeizaun und dem kreisenden Blaulicht zum Stehen.
Es war wie ein großes Volksfest: Eltern hatten ihre Kinder geschultert, ein findiger Verkäufer machte mit zu mietenden Ferngläsern die Runde, Pärchen schossen Erinnerungsfotos.
Auch wir hatten die Gelegenheit und das allgemeine Durcheinander genutzt, um uns an den Polizisten vorbeizudrängen und beobachteten gespannt, wie hinter der Absperrung immer mehr Sicherheitskräfte zusammengezogen wurden. Als die Polizisten anfingen, Fotos von den Leuten in den ersten Reihen zu schießen, machten wir uns auf den Heimweg.
Als ich mich Stunden später endlich durch die Menschenmassen gekämpft hatte und gegen halb elf wieder in der Wohnung war, konnte ich mir schließlich doch noch anschauen, was ich an Show verpasst hatte - auf tagesschau.de.

Seit einer guten Woche fahren angeblich eine Million Autos weniger in Peking, um zu testen, welche Auswirkungen das auf die Luftqualität hat (naja, vielleicht dauert das seine Zeit, bis man Effekte sieht...). Schließlich wäre das für die Publicity ziemlich schlecht, würde die Hälfte der Marathonläufer am Abschlusstag der Spiele auf der Strecke zusammenbrechen.
Und auch das Wetter wird nicht dem Zufall überlassen (und schon gar nicht der Natur): Seit einer Weile testen die Chinesen, wie sie die Wolken über der Stadt wegschießen können (mit so kleinen Raketen). Ich habe einen schönen Beitrag gesehen, in dem die Verantwortliche erklärt hat, kleine Wolken hätten sie schon im Griff, aber an den dicken Regenwolken arbeiten sie noch.
Die Arbeiten an den Sportstätten sollen angeblich super vorankommen und teilweise schon so gut wie abgeschlossen sein. Im chinesischen Fernsehen sah ich kürzlich eine Moderation mit dem neuen Nationalstadion im Hintergrund. Tolles Ding, das wollte ich aus nächster Nähe sehen. Als wir dort ankamen, fanden wir uns auf einer Baustelle (natürlich). Aber beeindruckend ist das "Vogelnest" auch jetzt schon.

Je näher man dran ist, desto weniger bekommt man mit. Das ist ja leider allzu oft so. Also habe ich leider die Aktion von Reporter ohne Grenzen verpasst, bei der ich nur zu gerne dabei gewesen wäre. Sie wollten in Peking darauf aufmerksam machen, dass es mit der Pressefreiheit immer noch nicht so weit her ist. Die Pressekonferenz und anschließende Minidemo (auf der sie T-Shirts trugen, die die olympischen Ringe als Handschellen zeigen) reichten offenbar aus, um Sicherheitskräfte auf den Plan zu rufen, die die anwesenden Journalisten für eine Weile festhielten.
Mehr Infos zu der Aktion gibt es hier auf der Homepage von Reporter ohne Grenzen.
Und dann waren da noch die Ein-Jahr-vor-Olympia-Feierlichkeiten am 8.8. um acht nach acht abends (die 8 verheißt den Chinesen Glück und Reichtum - vielleicht auch in umgekehrter Reihenfolge). "We are ready" sollte da gesungen werden, eine tolle Show auf dem Platz des Himmlischen Friedens war angekündigt.
OK, ich muss zugeben, ich hatte ohnehin nicht damit gerechnet, was von dem Spektakel zu sehen. Und so richtig nah ran kam ich auch nicht. Aber ich war gespannt, was drumherum so passieren würde (gerade in China kann ich an keinem Menschenauflauf vorbei gehen, man weiß ja nie).
Zusammen mit dem "einfachen Pekinger Volk" (so ist das auf n-tv zu lesen) verbrachte ich die zwei Stunden vor dem angekündigten Beginn der Feierlichkeit damit, eine bessere Sicht auf den Eingang zur Verbotenen Stadt an der Nordseite des Platzes des Himmlischen Frieden zu suchen, denn dort spielte sich alles ab.
Das einfache Pekinger Volk hätte sich der Einfachheit halber die Zeremonie lieber im Staatsfernsehen ansehen sollen. Zehn Meter vor jedem günstigen Aussichtspunkt war eine Polizeiabsperrung. Also sahen wir Baumkronen, Busse, Häuserecken, Hinterhöfe (durch die wir versuchsweise auch mal gelaufen sind, in der Hoffnung durch irgendein Haus auf die näher gelegene Straße zu kommen - vergeblich). Je näher der Beginn rückte, desto zahlreicher wurden die Absperrungen.
Und dann passierte es: Aus dem Augenwinkel sah ich rennende Menschen, die sich den Weg durch eine Absperrung gebahnt hatten und jetzt als Menschenmasse quer über die große (noch befahrene) Kreuzung im Süden des Platzes walzten. Direkt am Südende des Tiananmen kamen sie vor dem weißen Polizeizaun und dem kreisenden Blaulicht zum Stehen.
Es war wie ein großes Volksfest: Eltern hatten ihre Kinder geschultert, ein findiger Verkäufer machte mit zu mietenden Ferngläsern die Runde, Pärchen schossen Erinnerungsfotos.
Auch wir hatten die Gelegenheit und das allgemeine Durcheinander genutzt, um uns an den Polizisten vorbeizudrängen und beobachteten gespannt, wie hinter der Absperrung immer mehr Sicherheitskräfte zusammengezogen wurden. Als die Polizisten anfingen, Fotos von den Leuten in den ersten Reihen zu schießen, machten wir uns auf den Heimweg.
Als ich mich Stunden später endlich durch die Menschenmassen gekämpft hatte und gegen halb elf wieder in der Wohnung war, konnte ich mir schließlich doch noch anschauen, was ich an Show verpasst hatte - auf tagesschau.de.
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Mittwoch, 8. August 2007
Die Beach-Bräute von der deutschen Halbinsel
pekingsommer, 07:31h
"De guo, de guo", wiederholt der Taxifahrer nickend und zeigt dabei auf den Boden seines rostigen VW-Santana. Deutschland heißt das, wörtlich "Tugendland", das krieg ich noch hin. Aber ob er damit das Auto deutschen Ursprungs oder die Straße meint, wird mir irgendwie nicht klar. Beides wäre möglich.
Drei Versprechen waren es, die uns die 890 Kilometer von Peking in die Küstenstadt Qingdao zurücklegen ließen: schöner Strand, gute Luft und deutsche Architektur (sollte es tatsächlich eine chinesische Stadt geben, die sich von den anderen Großstädten unterscheidet?).
Die "Grüne Stadt" am Gelben Meer stand von 1897 bis 1914 unter deutscher Verwaltung (man könnte auch Herrschaft sagen). Den gewaltsamen Tod zweier Missionare hatte die Reichsregierung Preußens zum Anlass genommen, mit Hilfe der Überzeugungsarbeit ihrer Marine ein Stückchen Land als Handelsstützpunkt einzufordern.
"De guo!" Auf der Fahrt vom neuen Teil Qingdaos in die Altstadt ist tatsächlich immer weniger neues China und immer mehr altes Deutschland zu sehen. Und der Taxifahrer hat seine Mission als Stadtführer noch nicht aufgegeben. Während er wild die Spuren wechselnd durch den feierabendlichen Verkehr kurvt, deutet er strahlend zu seiner Rechten, auf der eben eine Hochhaussiedlung vorbeizieht und ein irgendwie nicht ins Bild passendes Gebäude auftaucht. "De guo!" Unverkennbar. Wir passieren gerade das wohl einflussreichste Überbleibsel der damaligen Zeit: Die 1903 von den Deutschen gegründete Brauerei, die bis heute eine der beliebtesten chinesischen Biersorten hervorbringt (Tsingtao).
Eine sehr eng geschnittene Kurve und mehrere Serpentinen später stehen wir vor der alten Sternwarte auf einem der Hügel, über die sich die Stadt spannt. Da in einer Sehenswürdigkeit wohnen besonders viel Spaß macht, haben wir uns hier eingemietet. Außerdem hat man beste Sicht auf die schmalen Gassen der Stadt, die katholische Kirche, ehemalige Residenzen und schließlich das Meer.
Das erste Versprechen hat sich also tatsächlich erfüllt: Die Altstadt ist hübsch. Es gibt nur wenige Hochhäuser, alles in allem hat Qingdao einen leicht morbiden, eher südeuropäischen Charme. Und auch das Versprechen besserer Luft hält die Stadt. Vom Meer her weht konstant eine leichte Brise, wenn ein leichter Grauschleier die Sicht vernebelt kann man davon ausgehen, dass es hier kein Smog oder Baustaub ist.

Derart motiviert wollten wir jetzt auch das dritte Versprechen einlösen: Wir machten uns auf dem Weg zum Strand. Zugegeben, ein bisschen Naivität war da schon im Spiel. Ich muss nämlich ergänzen, dass es meine chinesische Mitbewohnerin war, die uns Qingdao als Beachparadies ans Herz gelegt hat (und unser chinesischer Nachbar, der das bestätigt hat, kommt gebürtig aus Qingdao). Soll heißen: Wir teilten offenbar nicht unbedingt die selben Vorstellungen von "schön".

Ein Stück weiter fanden wir aber schließlich doch einen hübschen Strand, der nicht ganz so zugepackt war mit Sonnenschirmen, Zelten und Handtüchern. Gegen eine moderate Eintrittsgebühr von 2 Yuan (umgerechnet knapp 20 Cent) erkauften wir uns einen Tag am Meer. Und die Gelegenheit für zahlreiche interessante Sozialstudien. Chinesische Pärchen sind mein aktuelles Lieblingsforschungsobjekt.
Heuer (man erlaube mir die Verwendung dieses österreichischen Ausdrucks, der mir eine Wortwiederholung erspart) ist das Jahr des Schweins und damit ein besonders gutes für Hochzeiten. Obwohl die überwältigende Mehrheit der Chinesen mit christlichem Glauben nichts am Hut hat, heiraten die meisten gerne in weiß mit viel Tamtam. Zu letzterem gehören offenbar besonders besondere Hochzeitsfotos mit romantischem Hintergrund. Und weil Meer und Strand wohl landläufig als romantische Kulissen gelten, lauern in Qingdao hinter jedem Stein und jedem Busch Bräute und Bräutigamme samt Fotoentourage.



Bis auf das Bier und die vereinzelt auftauchende deutsche Architektur ist nicht allzu viel übrig geblieben von dem kurzen Kolonial-Intermezzo an der chinesischen Küste. Aber etwas Neues gibt es doch in Sachen deutsch-chinesische Beziehungen und das möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten: Conny und ich werden demnächst Karriere machen - als Mitglieder einer deutsch-chinesischen Girlband.


Hier gibt´s mehr Fotos aus Qingdao...
Drei Versprechen waren es, die uns die 890 Kilometer von Peking in die Küstenstadt Qingdao zurücklegen ließen: schöner Strand, gute Luft und deutsche Architektur (sollte es tatsächlich eine chinesische Stadt geben, die sich von den anderen Großstädten unterscheidet?).
Die "Grüne Stadt" am Gelben Meer stand von 1897 bis 1914 unter deutscher Verwaltung (man könnte auch Herrschaft sagen). Den gewaltsamen Tod zweier Missionare hatte die Reichsregierung Preußens zum Anlass genommen, mit Hilfe der Überzeugungsarbeit ihrer Marine ein Stückchen Land als Handelsstützpunkt einzufordern.

Eine sehr eng geschnittene Kurve und mehrere Serpentinen später stehen wir vor der alten Sternwarte auf einem der Hügel, über die sich die Stadt spannt. Da in einer Sehenswürdigkeit wohnen besonders viel Spaß macht, haben wir uns hier eingemietet. Außerdem hat man beste Sicht auf die schmalen Gassen der Stadt, die katholische Kirche, ehemalige Residenzen und schließlich das Meer.
Das erste Versprechen hat sich also tatsächlich erfüllt: Die Altstadt ist hübsch. Es gibt nur wenige Hochhäuser, alles in allem hat Qingdao einen leicht morbiden, eher südeuropäischen Charme. Und auch das Versprechen besserer Luft hält die Stadt. Vom Meer her weht konstant eine leichte Brise, wenn ein leichter Grauschleier die Sicht vernebelt kann man davon ausgehen, dass es hier kein Smog oder Baustaub ist.

Derart motiviert wollten wir jetzt auch das dritte Versprechen einlösen: Wir machten uns auf dem Weg zum Strand. Zugegeben, ein bisschen Naivität war da schon im Spiel. Ich muss nämlich ergänzen, dass es meine chinesische Mitbewohnerin war, die uns Qingdao als Beachparadies ans Herz gelegt hat (und unser chinesischer Nachbar, der das bestätigt hat, kommt gebürtig aus Qingdao). Soll heißen: Wir teilten offenbar nicht unbedingt die selben Vorstellungen von "schön".

Ein Stück weiter fanden wir aber schließlich doch einen hübschen Strand, der nicht ganz so zugepackt war mit Sonnenschirmen, Zelten und Handtüchern. Gegen eine moderate Eintrittsgebühr von 2 Yuan (umgerechnet knapp 20 Cent) erkauften wir uns einen Tag am Meer. Und die Gelegenheit für zahlreiche interessante Sozialstudien. Chinesische Pärchen sind mein aktuelles Lieblingsforschungsobjekt.
Heuer (man erlaube mir die Verwendung dieses österreichischen Ausdrucks, der mir eine Wortwiederholung erspart) ist das Jahr des Schweins und damit ein besonders gutes für Hochzeiten. Obwohl die überwältigende Mehrheit der Chinesen mit christlichem Glauben nichts am Hut hat, heiraten die meisten gerne in weiß mit viel Tamtam. Zu letzterem gehören offenbar besonders besondere Hochzeitsfotos mit romantischem Hintergrund. Und weil Meer und Strand wohl landläufig als romantische Kulissen gelten, lauern in Qingdao hinter jedem Stein und jedem Busch Bräute und Bräutigamme samt Fotoentourage.



Bis auf das Bier und die vereinzelt auftauchende deutsche Architektur ist nicht allzu viel übrig geblieben von dem kurzen Kolonial-Intermezzo an der chinesischen Küste. Aber etwas Neues gibt es doch in Sachen deutsch-chinesische Beziehungen und das möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten: Conny und ich werden demnächst Karriere machen - als Mitglieder einer deutsch-chinesischen Girlband.


Hier gibt´s mehr Fotos aus Qingdao...
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Dienstag, 31. Juli 2007
Der Ausländer - die Sehenswürdigkeit
pekingsommer, 04:52h
Einer mehr und wir hätten einen Spendenhut aufgestellt. Dabei fing alles ganz harmlos an. Wir standen vor dem Mausoleum, also mittig auf dem Platz des Himmlischen Friedens und verarbeiteten gerade unsere Enttäuschung darüber, dass Mao offenbar generalüberholt wird und das Ding bis September geschlossen ist (ich nehme an, das läuft unter Herausputzen für Olympia). Ein bisschen Erleichterung war zugegeben auch dabei, so bleibt uns das Aufstehen um halb sechs und Anstehen ab acht bis vorausschichtlich zehn Uhr erspart.
Als wir da so standen - wir, das sind Conny, Christian und ich - als wir da also so standen und uns mit Gebäudefotografie begnügten, stellten wir fest, dass sich einige Leute um uns herum mit Ausländerfotografie beschäftigten. Und schon kam das erste Mädel und bat uns um ein Foto.
Man ist da ja nicht so, wenns Freude macht, bitte. Also posierten wir brav und recht freundlich mit ihr in unserer Mitte. Dann mit ihrer Freundin, mit noch einer Freundin (oder gehörte die schon gar nicht mehr zu der Gruppe?), dann mit einem Mann, der definitiv einer anderen Gruppe angehörte, schließlich mit dem Mann, der das Foto zuvor gemacht hatte. Mittlerweile hatte sich ein kleiner Menschenauflauf gebildet (eigentlich eher eine Schlange) und wir bekamen Angst, den Rest des Tages als Deko an diesem Fleck verbringen zu müssen. Als wir dem Pappfiguraufsteller-ähnlichen Dasein ein Ende setzen wollten, tauchte auch noch ein Kind auf, also weiter.
Geschätzte zehn Aufnahmen später suchten wir das Weite. Ich wünschte wirklich, ich hätte all die Aufnahmen, die mich mit irgendwelchen asiatischen Touristen zeigen. Wäre eine schöne Sammlung vor den Sehenswürdigkeiten des Landes. In der Verbotenen Stadt konnten Conny und ich diesmal zumindest ein Foto ergattern.

Als wir da so standen - wir, das sind Conny, Christian und ich - als wir da also so standen und uns mit Gebäudefotografie begnügten, stellten wir fest, dass sich einige Leute um uns herum mit Ausländerfotografie beschäftigten. Und schon kam das erste Mädel und bat uns um ein Foto.
Man ist da ja nicht so, wenns Freude macht, bitte. Also posierten wir brav und recht freundlich mit ihr in unserer Mitte. Dann mit ihrer Freundin, mit noch einer Freundin (oder gehörte die schon gar nicht mehr zu der Gruppe?), dann mit einem Mann, der definitiv einer anderen Gruppe angehörte, schließlich mit dem Mann, der das Foto zuvor gemacht hatte. Mittlerweile hatte sich ein kleiner Menschenauflauf gebildet (eigentlich eher eine Schlange) und wir bekamen Angst, den Rest des Tages als Deko an diesem Fleck verbringen zu müssen. Als wir dem Pappfiguraufsteller-ähnlichen Dasein ein Ende setzen wollten, tauchte auch noch ein Kind auf, also weiter.
Geschätzte zehn Aufnahmen später suchten wir das Weite. Ich wünschte wirklich, ich hätte all die Aufnahmen, die mich mit irgendwelchen asiatischen Touristen zeigen. Wäre eine schöne Sammlung vor den Sehenswürdigkeiten des Landes. In der Verbotenen Stadt konnten Conny und ich diesmal zumindest ein Foto ergattern.

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Montag, 30. Juli 2007
Entdecke die Möglichkeiten
pekingsommer, 19:57h
Zum Mittagessen gabs Köttbullar. Mit Preiselbeeren und brauner Soße. Anschließend natürlich Kanelbullar und Löfgrens Kaffee. Nein, ich habe nicht wieder von Essen geträumt. Viel besser: Wir waren bei IKEA.
Zwischen all den Billys, Poängs und Hejs fühlte ich mich derart heimisch, dass es schon fast überraschend war, als ich vor der Tür nicht Dortmund-Kley sondern Beijing-Chaoyang vorfand.
Natürlich war das eine, sagen wir mal - Recherchereise. Interkulturelle Differenzen ausfindig machen und so. Ein bisschen enttäuschend war nur, dass sich weder Sortiment noch Ladeneinrichtung großartig von denen in Schweden oder Deutschland unterschieden (vielleicht bis auf das chinesische Essen neben den Köttbullar und der Einrichtung für einen Frisiersalon, die dekoriert war).
Aber einen kleinen Unterschied gabs dann doch: Die Chinesen bewohnen ihren IKEA förmlich. Überall saßen Leute auf den Sofas, Betten und Kommoden, einer hatte seinen Laptop ausgepackt und es sich in der Wohnzimmerecke des 30m² Raumwunderzimmers gemütlich gemacht.
Und ein Rätsel hat sich für mich an diesem Tag schließlich doch noch gelöst. Saja fragte mich neulich, ob es stimmt, dass in Schweden alle schön sind. Ich habe mich ehrlich darüber gewundert, wie sich dieses Gerücht (das natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen ist) sogar bis Nordostchina rumgesprochen hat.
Seit meinem Besuch bei IKEA-Beijing weiß ich es: Das Hochglanzmagazin "Visit Sweden" wirbt neben bezaubernder Landschaft und trendigen Shoppingspots in der Hauptsache mit den blonden Vorzügen des Landes.


Natürlich war das eine, sagen wir mal - Recherchereise. Interkulturelle Differenzen ausfindig machen und so. Ein bisschen enttäuschend war nur, dass sich weder Sortiment noch Ladeneinrichtung großartig von denen in Schweden oder Deutschland unterschieden (vielleicht bis auf das chinesische Essen neben den Köttbullar und der Einrichtung für einen Frisiersalon, die dekoriert war).


Seit meinem Besuch bei IKEA-Beijing weiß ich es: Das Hochglanzmagazin "Visit Sweden" wirbt neben bezaubernder Landschaft und trendigen Shoppingspots in der Hauptsache mit den blonden Vorzügen des Landes.

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Mittwoch, 25. Juli 2007
DJ Game Over
pekingsommer, 18:15h
Kürzlich ist mir beim Räumen mein alter Game Boy in die Hände gefallen. Das erste Modell in Maus-grau, schon tragbar aber noch nicht ganz Abendtäschchen-tauglich. Viele schöne Stunden haben wir miteinander verbracht, vertraut sind all die Anschalt-Bipings und Game Over-dididididis (mit etwas Phantasie).
Eben jene vertrauten Geräusche empfingen mich vergangenen Samstag im 2 Kolegas, einem sagen wir Club in der Nähe des örtlichen Autokinos. DJ Sulumi hatte sich gerade warm gespielt - neben Computer und Mischpult sind Game Boy und Uralt-Spielekonsolen sein liebstes Arbeitswerkzeug.

Und so sieht das aus, wenn dem dj (wmv, 475 KB) mitten in der schönsten Spielerei der Strom ausgeht. Gig Over.
Eben jene vertrauten Geräusche empfingen mich vergangenen Samstag im 2 Kolegas, einem sagen wir Club in der Nähe des örtlichen Autokinos. DJ Sulumi hatte sich gerade warm gespielt - neben Computer und Mischpult sind Game Boy und Uralt-Spielekonsolen sein liebstes Arbeitswerkzeug.

Und so sieht das aus, wenn dem dj (wmv, 475 KB) mitten in der schönsten Spielerei der Strom ausgeht. Gig Over.
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Samstag, 21. Juli 2007
Ich will ein Wurstbrot
pekingsommer, 10:54h
Neulich habe ich von einem Wurstbrot geträumt. Eine Scheibe dunkles Brot mit ein bisschen Butter, Bauernschinken und zur Krönung ein in dünne Streifen geschnittenes Essiggürkchen.
Die Individualtouristenehre verbietet es einem ja eigentlich. Schon der Gedanke daran, anderes als "einheimisches" Essen zu verzehren, kann schwere Gewissensnöte verursachen - schließlich will man ja nicht einer dieser unausstehlich unflexiblen Ausländer sein, die zwar möglichst weit weg fahren, dann aber doch am liebsten Bratwurst und Burger essen (auch wenn sie das zu Hause nie tun).
Aber ehrlich: Drei Mahlzeiten am Tag müssen schon sein. Und dreimal chinesisches Essen täglich geht nicht. Jedenfalls nicht zwei Monate in Folge.
Bei mir geht das deshalb nicht, weil meine Lieblingsmahlzeit das Frühstück ist. Je besser das Frühstück, desto erfolgversprechender der Tag. Mit der Einstellung bin ich hier ziemlich gekniffen, denn obwohl ich lieber herzhaft als Marmeladenbrot esse - scharfe, heiße Nudelsuppe auf nüchternen Magen pack ich nicht.
Und weil mir Cheerios mit Wassermilch auch schon wieder zum Hals raushängen, habe ich bereits nach knapp zwei Wochen den Weg zur deutschen Fleischerei gefunden. Die ist praktischerweise ganz in der Nähe der "Süddeutschen Bäckerei Café Konstanz". (Wenn man vor dem mit rustikalen Balken und Blumenkästen verkleideten - im wahrsten Wortsinn - Haus steht, schallt ein lautes "KONNSCHTANNZ" durch den Kopf.)
Mit meiner Brot-Salami-Gouda-Beute kam ich stolz wie Hans nach Hause, hatte sie gerade im Kühlschrank neben den Dumplings und tausendjährigen Eiern verstaut (dazu später mehr), als meine Mitbewohnerin in die Küche kam. Und sorry Leute: Sie denkt jetzt, alle Deutschen essen zum Frühstück wie zum Abendessen immer trocken Brot mit Käse.
Der Hund liebt den Käse. Saja nicht so. Hier sei eine Verallgemeinerung erlaubt: Chinesen sind sehr stolz auf ihr Essen und ein bisschen skeptisch gegenüber Dingen, die von außerhalb kommen (aber das soll ja bei Franzosen ähnlich sein). Und weil ich die Ehre Deutschlands nicht ganz ruinieren will, probiere ich ganz tapfer immer alles, was Saja kocht.
Und jetzt kommt die gute Nachricht: Chinesisches Essen ist superlecker und hat übrigens mit dem chinesischen Essen, das es bei uns zu kaufen gibt, wenig zu tun. Viel frisches Gemüse, überhaupt nicht viel Fett, Fisch, Fleisch - ausgewogen würde ich sagen. Und alles lässt sich mit wenig Geschirr bestreiten: Schale, Stäbchen, gut ists. Leider gibts in unserer Küchenausstattung auch nicht wesentlich mehr, also keine Teller oder Messer, was die Umsetzung meiner Wurstbrotphantasien doch erheblich erschwert.
Auswärts chinesisch zu essen ist sehr günstig, birgt aber gewisse Risiken. In Kanton gibt es ein Sprichwort, das sinngemäß besagt, sie essen alles zwischen Himmel und Erde (was Hunde, Ratten, komische Vögel und Insekten einschließt). So ist das hier im Norden nicht, aber auch hier gibts einfach Sachen, die ich nicht mag. Als da wären Hühnerfüße am Stil und andere klar zu identifizierende Körperteile von Tieren, Schleimpilze und Innereien.
Und eben die tausendjährigen Eier. Sie Seite "Kochbuch-und-Kuechenhilfe.de" schreibt dazu: "Um Eier länger lagern zu können kamen findige Chinesen in grauer Vorzeit auf die Idee, sie mehrere Monate lang (ca. 100 Tage) in einer Mischung aus Kalk, Holzkohlenasche, Erde, Reisschalen und Salzwasser zu konservieren. Während dieser Lagerzeit tritt eine Art Edelfäule ein, bei der das Eiweiß durch enzymatischen Abbau gelatineartig wird und eine Farbe wie Bernstein annimmt. Das Eigelb wird grün und quarkartig. Der bei dieser Fäulnis entstehende Geruch ist nicht jedermanns Sache." Dem stimme ich zu.
Essen ist hier das Top-Thema. Und nicht nur bei den Chinesen, in deren Tradition Essen eine sehr wichtige Rolle spielt (zum Beispiel fragt man, wenn man gute Bekannte trifft, "Hast Du schon gegessen?", was so ein Ausdruck ist wie "How are you?" und bitte nicht ernsthaft beantwortet werden soll).
Auch die Ausländer verbringen viel Zeit damit, Tipps für Restaurants auszutauschen und eben solche zu testen. Vor allem geht es um die Frage, wo man gutes, nicht allzu teures und vor allem nicht-chinesisches Essen bekommt. Die Deutschen, die ich hier kennengelernt habe, beschäftigen sich schon länger mit einem Projekt, das mir sehr entgegen kommt: Der Suche nach einem richtig leckeren Frühstück.
Die Individualtouristenehre verbietet es einem ja eigentlich. Schon der Gedanke daran, anderes als "einheimisches" Essen zu verzehren, kann schwere Gewissensnöte verursachen - schließlich will man ja nicht einer dieser unausstehlich unflexiblen Ausländer sein, die zwar möglichst weit weg fahren, dann aber doch am liebsten Bratwurst und Burger essen (auch wenn sie das zu Hause nie tun).
Aber ehrlich: Drei Mahlzeiten am Tag müssen schon sein. Und dreimal chinesisches Essen täglich geht nicht. Jedenfalls nicht zwei Monate in Folge.
Bei mir geht das deshalb nicht, weil meine Lieblingsmahlzeit das Frühstück ist. Je besser das Frühstück, desto erfolgversprechender der Tag. Mit der Einstellung bin ich hier ziemlich gekniffen, denn obwohl ich lieber herzhaft als Marmeladenbrot esse - scharfe, heiße Nudelsuppe auf nüchternen Magen pack ich nicht.
Und weil mir Cheerios mit Wassermilch auch schon wieder zum Hals raushängen, habe ich bereits nach knapp zwei Wochen den Weg zur deutschen Fleischerei gefunden. Die ist praktischerweise ganz in der Nähe der "Süddeutschen Bäckerei Café Konstanz". (Wenn man vor dem mit rustikalen Balken und Blumenkästen verkleideten - im wahrsten Wortsinn - Haus steht, schallt ein lautes "KONNSCHTANNZ" durch den Kopf.)
Mit meiner Brot-Salami-Gouda-Beute kam ich stolz wie Hans nach Hause, hatte sie gerade im Kühlschrank neben den Dumplings und tausendjährigen Eiern verstaut (dazu später mehr), als meine Mitbewohnerin in die Küche kam. Und sorry Leute: Sie denkt jetzt, alle Deutschen essen zum Frühstück wie zum Abendessen immer trocken Brot mit Käse.
Der Hund liebt den Käse. Saja nicht so. Hier sei eine Verallgemeinerung erlaubt: Chinesen sind sehr stolz auf ihr Essen und ein bisschen skeptisch gegenüber Dingen, die von außerhalb kommen (aber das soll ja bei Franzosen ähnlich sein). Und weil ich die Ehre Deutschlands nicht ganz ruinieren will, probiere ich ganz tapfer immer alles, was Saja kocht.
Und jetzt kommt die gute Nachricht: Chinesisches Essen ist superlecker und hat übrigens mit dem chinesischen Essen, das es bei uns zu kaufen gibt, wenig zu tun. Viel frisches Gemüse, überhaupt nicht viel Fett, Fisch, Fleisch - ausgewogen würde ich sagen. Und alles lässt sich mit wenig Geschirr bestreiten: Schale, Stäbchen, gut ists. Leider gibts in unserer Küchenausstattung auch nicht wesentlich mehr, also keine Teller oder Messer, was die Umsetzung meiner Wurstbrotphantasien doch erheblich erschwert.
Auswärts chinesisch zu essen ist sehr günstig, birgt aber gewisse Risiken. In Kanton gibt es ein Sprichwort, das sinngemäß besagt, sie essen alles zwischen Himmel und Erde (was Hunde, Ratten, komische Vögel und Insekten einschließt). So ist das hier im Norden nicht, aber auch hier gibts einfach Sachen, die ich nicht mag. Als da wären Hühnerfüße am Stil und andere klar zu identifizierende Körperteile von Tieren, Schleimpilze und Innereien.
Und eben die tausendjährigen Eier. Sie Seite "Kochbuch-und-Kuechenhilfe.de" schreibt dazu: "Um Eier länger lagern zu können kamen findige Chinesen in grauer Vorzeit auf die Idee, sie mehrere Monate lang (ca. 100 Tage) in einer Mischung aus Kalk, Holzkohlenasche, Erde, Reisschalen und Salzwasser zu konservieren. Während dieser Lagerzeit tritt eine Art Edelfäule ein, bei der das Eiweiß durch enzymatischen Abbau gelatineartig wird und eine Farbe wie Bernstein annimmt. Das Eigelb wird grün und quarkartig. Der bei dieser Fäulnis entstehende Geruch ist nicht jedermanns Sache." Dem stimme ich zu.
Essen ist hier das Top-Thema. Und nicht nur bei den Chinesen, in deren Tradition Essen eine sehr wichtige Rolle spielt (zum Beispiel fragt man, wenn man gute Bekannte trifft, "Hast Du schon gegessen?", was so ein Ausdruck ist wie "How are you?" und bitte nicht ernsthaft beantwortet werden soll).
Auch die Ausländer verbringen viel Zeit damit, Tipps für Restaurants auszutauschen und eben solche zu testen. Vor allem geht es um die Frage, wo man gutes, nicht allzu teures und vor allem nicht-chinesisches Essen bekommt. Die Deutschen, die ich hier kennengelernt habe, beschäftigen sich schon länger mit einem Projekt, das mir sehr entgegen kommt: Der Suche nach einem richtig leckeren Frühstück.
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Taxi nach Babylon
pekingsommer, 09:46h
Mein Chinesisch ist unterirdisch. Aber man kann mir immerhin nicht den Vorwurf machen, es nicht zu versuchen. Jeden Abend übe ich mit meiner Mitbewohnerin ein paar Sätze. Oft endet das damit, dass sie die Stirn in Falten legt, "I think I know what you mean" sagt - und ich es aufgebe.
Neulich war ich aber ganz stolz, dass ich eine Haltestelle, zu der ich regelmäßig fahren muss, gut ausgesprochen habe. Saja sah zufrieden aus ob Ihres Lehrerfolgs. Mit einem derart gestärkten Selbstbewusstsein ausgestattet habe ich mir also ein Taxi herangewunken.
Und dann passiert immer das Gleiche: Ich sage mein Sätzchen, der Taxifahrer sagt etwas, das mit viel Phantasie irgenwie ähnlich klingt, ich wiederhole mein Sätzchen mit einem guten Einschlag seiner Betonung und irgendwann treffen wir uns in der Mitte (zu dem Zeitpunkt habe ich dann meist schon meinen Stadtplan rausgeholt, um zumindest sicherzugehen, dass wir in die richtige Himmelsrichtung fahren).
Das hat mir wirklich Kopfzerbrechen bereitet. Dann habe ich versucht, mir die Situation in Deutschland vorzustellen: Saja besucht mich sagen wir in Köln. Ich erkläre ihr auf Oberpinzgauerisch, wie Sie ein Taxi nach Köln-Zollstock bestellt (ob sie da jemals hinfahren würde, ist für das Beispiel nicht entscheidend) und übe mit ihr die Aussprache - also sowas wie Köhn Zoajstook. Und weil das nicht schon aussichtslos genug ist, kommt der Taxifahrer aus Delitzsch nahe Leipzig. Irgendwie ist immer Deutsch im Spiel. Irgendwie.
Tja, und in China gibt es nicht nur jede Menge Dialekte, sondern auch einige unterschiedliche Sprachen. Was zur Folge hat, dass auch Chinesen mancherorts Schwierigkeiten haben, sich untereinander zu verständigen (jedenfalls gesprochen).

Herkunft der Karte: http://schiller.dartmouth.edu/chinese/maps/maps.html (21.07.2007)
Was meine Sprachfortschritte angeht, kommt noch die Sorge dazu, jemanden zu beleidigen, weil ich ein Wort falsch betone. Ein sehr beliebtes und eingängiges Beispiel ist das kleine Wörtchen "ma". In den vier Tonhöhen hat es die Bedeutungen Mama, Pferd, Hanf und schimpfen. Da brauchts nicht viel Phantasie sich auszumalen, was da rauskommen kann.
Olympia sei dank können Westler zumindest im kommenden Jahr ihre Lernfaulheit kultivieren. In Peking sollen nach offiziellen Angaben in der zweiten Jahreshälfte (2007) 93000 Taxifahrer Englisch lernen, damit die vielen Ausländer, die kommendes Jahr hier einfallen, nicht verloren gehen (was dank Meldepflicht etc. eh nicht so leicht ist, aber das ist ein anderes Thema).
Außerdem kursieren schon Geschichten über alte Menschen, die sich in den Parks der Stadt treffen, um Englisch zu üben. Und ein extra Buch gibts auch für alle Chinesen, die mit den Ausländern zu tun bekommen könnten (also potentiell alle, die vielleicht auch noch irgendein Geschäft machen wollen). Da stehen mehrere hundert "nützliche" Dialoge drin, zum Beispiel so etwas (Gedächtnisprotokoll):
"Möchten Sie eine Fußmassage?"
"Gerade habe ich keine Zeit, aber könnte ich für morgen Vormittag einen Termin vereinbaren?"
"Vormittags sind wir immer ziemlich ausgebucht. Aber nachmittags ginge."
"Das ist toll, danke."
"Nichts zu danken."
Bis alle Englisch sprechen, gehört ein bisschen Improvisation zum Taxifahren dazu - und da sind manche Taxifahrer sogar besser als ich. Viele meiner Termine sind in der Nähe einer sehr bekannten Kneipenstraße, zu der ich mich in der Regel fahren lasse. Als ich den dritten Aussprechanlauf starte, erhellen sich die Gesichtszüge des Fahrers, er grinst mich wissend an, hebt ein imaginäres Glas zum Mund und ruft: "Ah, Oookay!"
Neulich war ich aber ganz stolz, dass ich eine Haltestelle, zu der ich regelmäßig fahren muss, gut ausgesprochen habe. Saja sah zufrieden aus ob Ihres Lehrerfolgs. Mit einem derart gestärkten Selbstbewusstsein ausgestattet habe ich mir also ein Taxi herangewunken.
Und dann passiert immer das Gleiche: Ich sage mein Sätzchen, der Taxifahrer sagt etwas, das mit viel Phantasie irgenwie ähnlich klingt, ich wiederhole mein Sätzchen mit einem guten Einschlag seiner Betonung und irgendwann treffen wir uns in der Mitte (zu dem Zeitpunkt habe ich dann meist schon meinen Stadtplan rausgeholt, um zumindest sicherzugehen, dass wir in die richtige Himmelsrichtung fahren).
Das hat mir wirklich Kopfzerbrechen bereitet. Dann habe ich versucht, mir die Situation in Deutschland vorzustellen: Saja besucht mich sagen wir in Köln. Ich erkläre ihr auf Oberpinzgauerisch, wie Sie ein Taxi nach Köln-Zollstock bestellt (ob sie da jemals hinfahren würde, ist für das Beispiel nicht entscheidend) und übe mit ihr die Aussprache - also sowas wie Köhn Zoajstook. Und weil das nicht schon aussichtslos genug ist, kommt der Taxifahrer aus Delitzsch nahe Leipzig. Irgendwie ist immer Deutsch im Spiel. Irgendwie.
Tja, und in China gibt es nicht nur jede Menge Dialekte, sondern auch einige unterschiedliche Sprachen. Was zur Folge hat, dass auch Chinesen mancherorts Schwierigkeiten haben, sich untereinander zu verständigen (jedenfalls gesprochen).

Herkunft der Karte: http://schiller.dartmouth.edu/chinese/maps/maps.html (21.07.2007)
Was meine Sprachfortschritte angeht, kommt noch die Sorge dazu, jemanden zu beleidigen, weil ich ein Wort falsch betone. Ein sehr beliebtes und eingängiges Beispiel ist das kleine Wörtchen "ma". In den vier Tonhöhen hat es die Bedeutungen Mama, Pferd, Hanf und schimpfen. Da brauchts nicht viel Phantasie sich auszumalen, was da rauskommen kann.
Olympia sei dank können Westler zumindest im kommenden Jahr ihre Lernfaulheit kultivieren. In Peking sollen nach offiziellen Angaben in der zweiten Jahreshälfte (2007) 93000 Taxifahrer Englisch lernen, damit die vielen Ausländer, die kommendes Jahr hier einfallen, nicht verloren gehen (was dank Meldepflicht etc. eh nicht so leicht ist, aber das ist ein anderes Thema).
Außerdem kursieren schon Geschichten über alte Menschen, die sich in den Parks der Stadt treffen, um Englisch zu üben. Und ein extra Buch gibts auch für alle Chinesen, die mit den Ausländern zu tun bekommen könnten (also potentiell alle, die vielleicht auch noch irgendein Geschäft machen wollen). Da stehen mehrere hundert "nützliche" Dialoge drin, zum Beispiel so etwas (Gedächtnisprotokoll):
"Möchten Sie eine Fußmassage?"
"Gerade habe ich keine Zeit, aber könnte ich für morgen Vormittag einen Termin vereinbaren?"
"Vormittags sind wir immer ziemlich ausgebucht. Aber nachmittags ginge."
"Das ist toll, danke."
"Nichts zu danken."
Bis alle Englisch sprechen, gehört ein bisschen Improvisation zum Taxifahren dazu - und da sind manche Taxifahrer sogar besser als ich. Viele meiner Termine sind in der Nähe einer sehr bekannten Kneipenstraße, zu der ich mich in der Regel fahren lasse. Als ich den dritten Aussprechanlauf starte, erhellen sich die Gesichtszüge des Fahrers, er grinst mich wissend an, hebt ein imaginäres Glas zum Mund und ruft: "Ah, Oookay!"
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Donnerstag, 19. Juli 2007
Der Weg ist das Ziel
pekingsommer, 07:23h
Eins zu drei. Das ist das übliche Verhältnis. Eine Stunde Termin, drei Stunden im Verkehr Pekings. Wenn ich nicht den Stadtteil verlassen muss. Nun habe ich aber einen Termin in einem der Studentenviertel im Nordwesten der Stadt. Da ich im Südosten wohne, mache ich mich schon vor dem Frühstück auf den Weg.
Rush-Hour. Der 31er-Bus kommt hupend die Straße herunter gerumpelt. Kaum gehen die Türen auf, tropfen Menschen von der untersten Trittstufe, quetschen sich neue und mehr an ihre Stelle. Wäre ich einen Kopf kleiner, hätte ich Platzangst. Die Busfahrerin hat schlechte Laune. Ihr überdurchschnittlich durchdringendes Schreien und ihre Fahrweise verraten sie. Gas, Stopp. Gas, Stopp. Die Menschenmasse wogt in entgegengesetzter Richtung.
Aufprall, Mischen, Sortieren
Sieben Haltestellen und 20 Minuten später spuckt uns der Bus aus. Die Busmenschenmasse ist jetzt eine Fußgängermenschenmasse und schiebt sich die Straße hoch, über die Kreuzung und in den kühlen Tunnel der U-Bahn. Pause.
Das Zischen der Türhydraulik gibt den Startschuss. Von hinten drängen die ersten durch die schmale Gasse, die eigentlich den Ausstieg erleichtern sollte. Aufprall, Mischen, Sortieren. Egal wie voll Bahn und Bahnsteig, am Schluss ist letzterer immer leer.
Die schmierigen Griffe sind außer Reichweite, aber dutzende Körper geben Halt. Start Lautsprecherstimme. Nicht enden wollende chinesische Sprachfetzen hängen über den Köpfen. Als die Bahn schon wieder an Geschwindikeit verliert, kommt die karge Übersetzung: "Next Stop: Jianguomen". Umsteigen.
Wenn in einem guten Jahr die Objektive der Welt auf Peking gerichtet sind, sollen sie westliche Ordnung vorfinden. Also: Schlange bilden statt Menschentraube. Mir war es lieber, als ich nicht von pubertierenden Jungs in schlackernder Uniform mit Megafon in eine Reihe hinter einer gelben Linie gezwängt wurde. Geholfen hat das bisher ohnehin nur denjenigen, die sich auch vorher schon beim Hydraulikzischen von hinten durch die freie Gasse gedrängt haben. Die ist jetzt einladender.

Die ersten eineinhalb Stunden sind um. Wieder umsteigen. Diesmal überirdisch. Ich nehme mir vor, auf dem Rückweg die große Runde zu fahren - Sightseeing und so. Bevor ich am Bahnterminal ankomme, bleibt die U-Bahn-Menschenmasse zwischen Absperrgittern stecken. Das große Disneylandgefühl kommt auf: Kaum denkt man, man sieht das Ende der Schlange und hat es bald erreicht, windet sie sich noch einmal.
Die Sprachenvielfalt ist mit jedem Mal Umsteigen gewachsen, der Altersdurchschnitt gesunken. Ich stelle fest, dass es manchmal auch erholsam sein kann, Unterhaltungen nicht zu verstehen. Außer man interessiert sich für die Aufregung, die ein Kuss auf die Wange bei einer 20jährigen Amerikanerin auslöst.
Immer noch Rushhour. Möglicherweise beginnt die im Studentenviertel später als im Businessdistrict. Wieder in unsinnigen Reihen stehen, von der Gegend sehe ich aus der Bahn nicht viel, kann die Fenster nur erahnen. Nach gut zwei Stunden bin ich da. Wudaokou Station.
Zurück nehme ich ein Taxi.
Rush-Hour. Der 31er-Bus kommt hupend die Straße herunter gerumpelt. Kaum gehen die Türen auf, tropfen Menschen von der untersten Trittstufe, quetschen sich neue und mehr an ihre Stelle. Wäre ich einen Kopf kleiner, hätte ich Platzangst. Die Busfahrerin hat schlechte Laune. Ihr überdurchschnittlich durchdringendes Schreien und ihre Fahrweise verraten sie. Gas, Stopp. Gas, Stopp. Die Menschenmasse wogt in entgegengesetzter Richtung.
Aufprall, Mischen, Sortieren
Sieben Haltestellen und 20 Minuten später spuckt uns der Bus aus. Die Busmenschenmasse ist jetzt eine Fußgängermenschenmasse und schiebt sich die Straße hoch, über die Kreuzung und in den kühlen Tunnel der U-Bahn. Pause.
Das Zischen der Türhydraulik gibt den Startschuss. Von hinten drängen die ersten durch die schmale Gasse, die eigentlich den Ausstieg erleichtern sollte. Aufprall, Mischen, Sortieren. Egal wie voll Bahn und Bahnsteig, am Schluss ist letzterer immer leer.
Die schmierigen Griffe sind außer Reichweite, aber dutzende Körper geben Halt. Start Lautsprecherstimme. Nicht enden wollende chinesische Sprachfetzen hängen über den Köpfen. Als die Bahn schon wieder an Geschwindikeit verliert, kommt die karge Übersetzung: "Next Stop: Jianguomen". Umsteigen.
Wenn in einem guten Jahr die Objektive der Welt auf Peking gerichtet sind, sollen sie westliche Ordnung vorfinden. Also: Schlange bilden statt Menschentraube. Mir war es lieber, als ich nicht von pubertierenden Jungs in schlackernder Uniform mit Megafon in eine Reihe hinter einer gelben Linie gezwängt wurde. Geholfen hat das bisher ohnehin nur denjenigen, die sich auch vorher schon beim Hydraulikzischen von hinten durch die freie Gasse gedrängt haben. Die ist jetzt einladender.

Die ersten eineinhalb Stunden sind um. Wieder umsteigen. Diesmal überirdisch. Ich nehme mir vor, auf dem Rückweg die große Runde zu fahren - Sightseeing und so. Bevor ich am Bahnterminal ankomme, bleibt die U-Bahn-Menschenmasse zwischen Absperrgittern stecken. Das große Disneylandgefühl kommt auf: Kaum denkt man, man sieht das Ende der Schlange und hat es bald erreicht, windet sie sich noch einmal.
Die Sprachenvielfalt ist mit jedem Mal Umsteigen gewachsen, der Altersdurchschnitt gesunken. Ich stelle fest, dass es manchmal auch erholsam sein kann, Unterhaltungen nicht zu verstehen. Außer man interessiert sich für die Aufregung, die ein Kuss auf die Wange bei einer 20jährigen Amerikanerin auslöst.
Immer noch Rushhour. Möglicherweise beginnt die im Studentenviertel später als im Businessdistrict. Wieder in unsinnigen Reihen stehen, von der Gegend sehe ich aus der Bahn nicht viel, kann die Fenster nur erahnen. Nach gut zwei Stunden bin ich da. Wudaokou Station.
Zurück nehme ich ein Taxi.
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Die Straße der halbnackten Wanderarbeiter
pekingsommer, 06:27h
Vor meinem Haus ist eine Baustelle. Vielleicht ist das Verhältnis damit nicht richtig beschrieben - dominant ist eigentlich die Baustelle, nicht das Haus. Sie sorgt nicht nur dafür, dass regelmäßig Baustaubwolken durch die schmale Zubringerstraße ziehen und meine weißen Schuhe nach wenigen Metern graubraun sind (meine schwarzen auch). Die Baustelle bestimmt auch das soziale Leben des ganzen Viertels. Mit ihr kamen hunderte von Wanderarbeitern - oder war das dann doch umgekehrt?
Wo der Bus sich tagsüber nur selten durch Hupen Respekt verschaffen muss, drängen sich abends immer mehr Menschen, Zweiräder, Dreiräder, Autos und LKW. Mit der Dämmerung lebt die Straße auf: Vor den Garküchen trinken Männer Bier, spielen Karten, Mahjongg oder Billard unter einer schwachen, von einem Ast baumelnden Glühbirne. Fliegende Händler breiten auf Tüchern abgewetzte Hosen, fein säuberlich geputzte und mit Zeitungspapier ausgestopfte Schuhe, Comics mit und ohne Eselsohren und hunderte von DVDs in dünnen Plastikbriefchen aus.
Auf meiner Straße herrscht Männerüberschuss. So richtig aufgefallen ist mir das erst, als sich die tatsächlichen den von mir schon länger gefühlten Temperaturen anglichen: Es ist sauheiß. Also gehen all die Mahjonggspieler, Comickäufer und Biertrinker oben ohne.
Die Frauen, die hier unterwegs sind, wohnen in der Regel auch in meinem Haus. Oder arbeiten in einem der kleinen Läden. Wie zum Beispiel meine Lieblingsnachbarin. In Dortmund würde man sagen, sie betreibt eine Trinkhalle. Meine Lieblingsnachbarin ist sie deshalb, weil sie schon beim ersten Anlauf mein hilfloses Chinesisch verstanden hat. Wenn Sie mich jetzt kommen sieht, springt sie auf, murmelt etwas, das wahrscheinlich sowas heißt wie "das Übliche" und packt mir ein paar Flaschen Wasser ab. Toll.
Das Schöne an den chinesischen Bauarbeitern ist, dass sie einen nicht blöd anquatschen, geschweige denn hinterherpfeifen. Gut, es fährt schon mal einer mit dem Fahrrad gegen einen Baum, weil er sich beim Gucken den Hals verrenkt. Aber das ist halt so, wenn man als einziger Ausländer auf einer chinesischen Baustelle wohnt.
Wo der Bus sich tagsüber nur selten durch Hupen Respekt verschaffen muss, drängen sich abends immer mehr Menschen, Zweiräder, Dreiräder, Autos und LKW. Mit der Dämmerung lebt die Straße auf: Vor den Garküchen trinken Männer Bier, spielen Karten, Mahjongg oder Billard unter einer schwachen, von einem Ast baumelnden Glühbirne. Fliegende Händler breiten auf Tüchern abgewetzte Hosen, fein säuberlich geputzte und mit Zeitungspapier ausgestopfte Schuhe, Comics mit und ohne Eselsohren und hunderte von DVDs in dünnen Plastikbriefchen aus.
Auf meiner Straße herrscht Männerüberschuss. So richtig aufgefallen ist mir das erst, als sich die tatsächlichen den von mir schon länger gefühlten Temperaturen anglichen: Es ist sauheiß. Also gehen all die Mahjonggspieler, Comickäufer und Biertrinker oben ohne.
Die Frauen, die hier unterwegs sind, wohnen in der Regel auch in meinem Haus. Oder arbeiten in einem der kleinen Läden. Wie zum Beispiel meine Lieblingsnachbarin. In Dortmund würde man sagen, sie betreibt eine Trinkhalle. Meine Lieblingsnachbarin ist sie deshalb, weil sie schon beim ersten Anlauf mein hilfloses Chinesisch verstanden hat. Wenn Sie mich jetzt kommen sieht, springt sie auf, murmelt etwas, das wahrscheinlich sowas heißt wie "das Übliche" und packt mir ein paar Flaschen Wasser ab. Toll.
Das Schöne an den chinesischen Bauarbeitern ist, dass sie einen nicht blöd anquatschen, geschweige denn hinterherpfeifen. Gut, es fährt schon mal einer mit dem Fahrrad gegen einen Baum, weil er sich beim Gucken den Hals verrenkt. Aber das ist halt so, wenn man als einziger Ausländer auf einer chinesischen Baustelle wohnt.
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Home Sweet Home
pekingsommer, 05:41h

Dumm gelaufen. Ich habe mich allerdings gefragt, was mit dem Auto passiert wäre, hätte es auf dem bis dahin regulären Parkplatz rechts im Bild gestanden.

Mein Block.

Meine Straße (ohne Namen - Adressen taugen zur Orientierung in Peking ohnehin nur bedingt)

Voilà - doggie. Der wahrscheinlich hübscheste Haushund Chinas. Die man sonst so sieht sind entweder Katzenformat oder Knautschzonenoptik. Kann leider nur Chinesisch.

Chinesischer Mauerbau - dieser Abschnitt ist an einem Vormittag aus dem Nichts entstanden.
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Angekommen.
pekingsommer, 05:03h
Auf dem Weg zum Supermarkt war sie noch da. Als ich vom Einkaufen wiederkam, klaffte dort, wo vorher eine mannshohe Mauer das Grundstück zu meinem Appartementkomplex einschloss, ein Loch. Außerdem stand das Häuschen des Wachmanns plötzlich auf der anderen Straßenseite und als ich heute früh aus dem Fenster schaute, zogen dutzende der sagenumwobenen „Wanderarbeiter“ eine neue Mauer an einer anderen Stelle hoch. Zum Mittag war sie fertig.
Manche Dinge gehen schnell in China. Das gilt nicht für den Verkehr oder Kinokartenverkäuferinnen. Im Falle des Verkehrs ist das auch ganz gut so, weil Karambolagen bei Schritttempo weniger Schaden anrichten - und die sind zahlreich.
Meine Mitbewohnerin bzw. Vermieterin Saja ist wahrscheinlich die einzige Chinesin, die jemals an einer roten Fußgängerampel stehen geblieben ist. Nicht, dass es wirklich viel Unterschied macht, ob man bei rot oder grün geht. Denn erstaunlicherweise kreuzen bei grün beinahe genauso viele Autos, Mofas und Fahrräder den Fußgängerüberweg wie bei rot und das aus allen Himmelsrichtungen.
Saja ist der englische Name meiner Mitbewohnerin, den chinesischen übe ich noch. Weil unser WG-Hund (nein, er war nie für den Kochtopf bestimmt, das sind bösartige Vorurteile) keinen englischen Namen hat und ich seinen richtigen nicht aussprechen kann, nenne ich ihn wahlweise "dog" oder "Scheißköter" - letzteres wenn wir unter uns sind und er versucht, mich durch lautes Bellen aus der Wohnung zu treiben.
Beim Abendessen mache ich dann meist mit Saja Kulturaustausch im weitesten Sinne. So lerne ich im Kleinen viel Neues über das Land und bekomme auf vieles, das ich sonst nur aus Büchern kannte, eine andere Perspektive. Sajas Großvater war Mitglied der Kuomintang, die vor den Kommunisten über China herrschten. Er floh nach Taiwan, als die Kommunisten die Regierung übernahmen. Wegen seiner Familie kam er aber zurück, wurde festgenommen, verschleppt und kehrte erst nach mehr als 20 Jahren aus einem Gefangenenlager irgendwo im Niemandsland zurück. Wir kommentieren selten das, worüber wir sprechen – ich vermutlich noch seltener als Saja. Das wäre dann vielleicht das nächste Stadium des Kulturaustauschs.
Und wer sich jetzt vielleicht schon Sorgen um mein die Diplomarbeit betreffendes Vorankommen machte – auch damit beschäftige ich mich und die Interviews laufen super. Bisher wehrt sich die Realität wieder einmal vehement gegen die Theorie – was ja so eine empirische Arbeit auch irgendwie erst interessant macht.
Manche Dinge gehen schnell in China. Das gilt nicht für den Verkehr oder Kinokartenverkäuferinnen. Im Falle des Verkehrs ist das auch ganz gut so, weil Karambolagen bei Schritttempo weniger Schaden anrichten - und die sind zahlreich.
Meine Mitbewohnerin bzw. Vermieterin Saja ist wahrscheinlich die einzige Chinesin, die jemals an einer roten Fußgängerampel stehen geblieben ist. Nicht, dass es wirklich viel Unterschied macht, ob man bei rot oder grün geht. Denn erstaunlicherweise kreuzen bei grün beinahe genauso viele Autos, Mofas und Fahrräder den Fußgängerüberweg wie bei rot und das aus allen Himmelsrichtungen.
Saja ist der englische Name meiner Mitbewohnerin, den chinesischen übe ich noch. Weil unser WG-Hund (nein, er war nie für den Kochtopf bestimmt, das sind bösartige Vorurteile) keinen englischen Namen hat und ich seinen richtigen nicht aussprechen kann, nenne ich ihn wahlweise "dog" oder "Scheißköter" - letzteres wenn wir unter uns sind und er versucht, mich durch lautes Bellen aus der Wohnung zu treiben.
Beim Abendessen mache ich dann meist mit Saja Kulturaustausch im weitesten Sinne. So lerne ich im Kleinen viel Neues über das Land und bekomme auf vieles, das ich sonst nur aus Büchern kannte, eine andere Perspektive. Sajas Großvater war Mitglied der Kuomintang, die vor den Kommunisten über China herrschten. Er floh nach Taiwan, als die Kommunisten die Regierung übernahmen. Wegen seiner Familie kam er aber zurück, wurde festgenommen, verschleppt und kehrte erst nach mehr als 20 Jahren aus einem Gefangenenlager irgendwo im Niemandsland zurück. Wir kommentieren selten das, worüber wir sprechen – ich vermutlich noch seltener als Saja. Das wäre dann vielleicht das nächste Stadium des Kulturaustauschs.
Und wer sich jetzt vielleicht schon Sorgen um mein die Diplomarbeit betreffendes Vorankommen machte – auch damit beschäftige ich mich und die Interviews laufen super. Bisher wehrt sich die Realität wieder einmal vehement gegen die Theorie – was ja so eine empirische Arbeit auch irgendwie erst interessant macht.
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