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Donnerstag, 19. Juli 2007
Der Weg ist das Ziel
pekingsommer, 07:23h
Eins zu drei. Das ist das übliche Verhältnis. Eine Stunde Termin, drei Stunden im Verkehr Pekings. Wenn ich nicht den Stadtteil verlassen muss. Nun habe ich aber einen Termin in einem der Studentenviertel im Nordwesten der Stadt. Da ich im Südosten wohne, mache ich mich schon vor dem Frühstück auf den Weg.
Rush-Hour. Der 31er-Bus kommt hupend die Straße herunter gerumpelt. Kaum gehen die Türen auf, tropfen Menschen von der untersten Trittstufe, quetschen sich neue und mehr an ihre Stelle. Wäre ich einen Kopf kleiner, hätte ich Platzangst. Die Busfahrerin hat schlechte Laune. Ihr überdurchschnittlich durchdringendes Schreien und ihre Fahrweise verraten sie. Gas, Stopp. Gas, Stopp. Die Menschenmasse wogt in entgegengesetzter Richtung.
Aufprall, Mischen, Sortieren
Sieben Haltestellen und 20 Minuten später spuckt uns der Bus aus. Die Busmenschenmasse ist jetzt eine Fußgängermenschenmasse und schiebt sich die Straße hoch, über die Kreuzung und in den kühlen Tunnel der U-Bahn. Pause.
Das Zischen der Türhydraulik gibt den Startschuss. Von hinten drängen die ersten durch die schmale Gasse, die eigentlich den Ausstieg erleichtern sollte. Aufprall, Mischen, Sortieren. Egal wie voll Bahn und Bahnsteig, am Schluss ist letzterer immer leer.
Die schmierigen Griffe sind außer Reichweite, aber dutzende Körper geben Halt. Start Lautsprecherstimme. Nicht enden wollende chinesische Sprachfetzen hängen über den Köpfen. Als die Bahn schon wieder an Geschwindikeit verliert, kommt die karge Übersetzung: "Next Stop: Jianguomen". Umsteigen.
Wenn in einem guten Jahr die Objektive der Welt auf Peking gerichtet sind, sollen sie westliche Ordnung vorfinden. Also: Schlange bilden statt Menschentraube. Mir war es lieber, als ich nicht von pubertierenden Jungs in schlackernder Uniform mit Megafon in eine Reihe hinter einer gelben Linie gezwängt wurde. Geholfen hat das bisher ohnehin nur denjenigen, die sich auch vorher schon beim Hydraulikzischen von hinten durch die freie Gasse gedrängt haben. Die ist jetzt einladender.

Die ersten eineinhalb Stunden sind um. Wieder umsteigen. Diesmal überirdisch. Ich nehme mir vor, auf dem Rückweg die große Runde zu fahren - Sightseeing und so. Bevor ich am Bahnterminal ankomme, bleibt die U-Bahn-Menschenmasse zwischen Absperrgittern stecken. Das große Disneylandgefühl kommt auf: Kaum denkt man, man sieht das Ende der Schlange und hat es bald erreicht, windet sie sich noch einmal.
Die Sprachenvielfalt ist mit jedem Mal Umsteigen gewachsen, der Altersdurchschnitt gesunken. Ich stelle fest, dass es manchmal auch erholsam sein kann, Unterhaltungen nicht zu verstehen. Außer man interessiert sich für die Aufregung, die ein Kuss auf die Wange bei einer 20jährigen Amerikanerin auslöst.
Immer noch Rushhour. Möglicherweise beginnt die im Studentenviertel später als im Businessdistrict. Wieder in unsinnigen Reihen stehen, von der Gegend sehe ich aus der Bahn nicht viel, kann die Fenster nur erahnen. Nach gut zwei Stunden bin ich da. Wudaokou Station.
Zurück nehme ich ein Taxi.
Rush-Hour. Der 31er-Bus kommt hupend die Straße herunter gerumpelt. Kaum gehen die Türen auf, tropfen Menschen von der untersten Trittstufe, quetschen sich neue und mehr an ihre Stelle. Wäre ich einen Kopf kleiner, hätte ich Platzangst. Die Busfahrerin hat schlechte Laune. Ihr überdurchschnittlich durchdringendes Schreien und ihre Fahrweise verraten sie. Gas, Stopp. Gas, Stopp. Die Menschenmasse wogt in entgegengesetzter Richtung.
Aufprall, Mischen, Sortieren
Sieben Haltestellen und 20 Minuten später spuckt uns der Bus aus. Die Busmenschenmasse ist jetzt eine Fußgängermenschenmasse und schiebt sich die Straße hoch, über die Kreuzung und in den kühlen Tunnel der U-Bahn. Pause.
Das Zischen der Türhydraulik gibt den Startschuss. Von hinten drängen die ersten durch die schmale Gasse, die eigentlich den Ausstieg erleichtern sollte. Aufprall, Mischen, Sortieren. Egal wie voll Bahn und Bahnsteig, am Schluss ist letzterer immer leer.
Die schmierigen Griffe sind außer Reichweite, aber dutzende Körper geben Halt. Start Lautsprecherstimme. Nicht enden wollende chinesische Sprachfetzen hängen über den Köpfen. Als die Bahn schon wieder an Geschwindikeit verliert, kommt die karge Übersetzung: "Next Stop: Jianguomen". Umsteigen.
Wenn in einem guten Jahr die Objektive der Welt auf Peking gerichtet sind, sollen sie westliche Ordnung vorfinden. Also: Schlange bilden statt Menschentraube. Mir war es lieber, als ich nicht von pubertierenden Jungs in schlackernder Uniform mit Megafon in eine Reihe hinter einer gelben Linie gezwängt wurde. Geholfen hat das bisher ohnehin nur denjenigen, die sich auch vorher schon beim Hydraulikzischen von hinten durch die freie Gasse gedrängt haben. Die ist jetzt einladender.

Die ersten eineinhalb Stunden sind um. Wieder umsteigen. Diesmal überirdisch. Ich nehme mir vor, auf dem Rückweg die große Runde zu fahren - Sightseeing und so. Bevor ich am Bahnterminal ankomme, bleibt die U-Bahn-Menschenmasse zwischen Absperrgittern stecken. Das große Disneylandgefühl kommt auf: Kaum denkt man, man sieht das Ende der Schlange und hat es bald erreicht, windet sie sich noch einmal.
Die Sprachenvielfalt ist mit jedem Mal Umsteigen gewachsen, der Altersdurchschnitt gesunken. Ich stelle fest, dass es manchmal auch erholsam sein kann, Unterhaltungen nicht zu verstehen. Außer man interessiert sich für die Aufregung, die ein Kuss auf die Wange bei einer 20jährigen Amerikanerin auslöst.
Immer noch Rushhour. Möglicherweise beginnt die im Studentenviertel später als im Businessdistrict. Wieder in unsinnigen Reihen stehen, von der Gegend sehe ich aus der Bahn nicht viel, kann die Fenster nur erahnen. Nach gut zwei Stunden bin ich da. Wudaokou Station.
Zurück nehme ich ein Taxi.
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Die Straße der halbnackten Wanderarbeiter
pekingsommer, 06:27h
Vor meinem Haus ist eine Baustelle. Vielleicht ist das Verhältnis damit nicht richtig beschrieben - dominant ist eigentlich die Baustelle, nicht das Haus. Sie sorgt nicht nur dafür, dass regelmäßig Baustaubwolken durch die schmale Zubringerstraße ziehen und meine weißen Schuhe nach wenigen Metern graubraun sind (meine schwarzen auch). Die Baustelle bestimmt auch das soziale Leben des ganzen Viertels. Mit ihr kamen hunderte von Wanderarbeitern - oder war das dann doch umgekehrt?
Wo der Bus sich tagsüber nur selten durch Hupen Respekt verschaffen muss, drängen sich abends immer mehr Menschen, Zweiräder, Dreiräder, Autos und LKW. Mit der Dämmerung lebt die Straße auf: Vor den Garküchen trinken Männer Bier, spielen Karten, Mahjongg oder Billard unter einer schwachen, von einem Ast baumelnden Glühbirne. Fliegende Händler breiten auf Tüchern abgewetzte Hosen, fein säuberlich geputzte und mit Zeitungspapier ausgestopfte Schuhe, Comics mit und ohne Eselsohren und hunderte von DVDs in dünnen Plastikbriefchen aus.
Auf meiner Straße herrscht Männerüberschuss. So richtig aufgefallen ist mir das erst, als sich die tatsächlichen den von mir schon länger gefühlten Temperaturen anglichen: Es ist sauheiß. Also gehen all die Mahjonggspieler, Comickäufer und Biertrinker oben ohne.
Die Frauen, die hier unterwegs sind, wohnen in der Regel auch in meinem Haus. Oder arbeiten in einem der kleinen Läden. Wie zum Beispiel meine Lieblingsnachbarin. In Dortmund würde man sagen, sie betreibt eine Trinkhalle. Meine Lieblingsnachbarin ist sie deshalb, weil sie schon beim ersten Anlauf mein hilfloses Chinesisch verstanden hat. Wenn Sie mich jetzt kommen sieht, springt sie auf, murmelt etwas, das wahrscheinlich sowas heißt wie "das Übliche" und packt mir ein paar Flaschen Wasser ab. Toll.
Das Schöne an den chinesischen Bauarbeitern ist, dass sie einen nicht blöd anquatschen, geschweige denn hinterherpfeifen. Gut, es fährt schon mal einer mit dem Fahrrad gegen einen Baum, weil er sich beim Gucken den Hals verrenkt. Aber das ist halt so, wenn man als einziger Ausländer auf einer chinesischen Baustelle wohnt.
Wo der Bus sich tagsüber nur selten durch Hupen Respekt verschaffen muss, drängen sich abends immer mehr Menschen, Zweiräder, Dreiräder, Autos und LKW. Mit der Dämmerung lebt die Straße auf: Vor den Garküchen trinken Männer Bier, spielen Karten, Mahjongg oder Billard unter einer schwachen, von einem Ast baumelnden Glühbirne. Fliegende Händler breiten auf Tüchern abgewetzte Hosen, fein säuberlich geputzte und mit Zeitungspapier ausgestopfte Schuhe, Comics mit und ohne Eselsohren und hunderte von DVDs in dünnen Plastikbriefchen aus.
Auf meiner Straße herrscht Männerüberschuss. So richtig aufgefallen ist mir das erst, als sich die tatsächlichen den von mir schon länger gefühlten Temperaturen anglichen: Es ist sauheiß. Also gehen all die Mahjonggspieler, Comickäufer und Biertrinker oben ohne.
Die Frauen, die hier unterwegs sind, wohnen in der Regel auch in meinem Haus. Oder arbeiten in einem der kleinen Läden. Wie zum Beispiel meine Lieblingsnachbarin. In Dortmund würde man sagen, sie betreibt eine Trinkhalle. Meine Lieblingsnachbarin ist sie deshalb, weil sie schon beim ersten Anlauf mein hilfloses Chinesisch verstanden hat. Wenn Sie mich jetzt kommen sieht, springt sie auf, murmelt etwas, das wahrscheinlich sowas heißt wie "das Übliche" und packt mir ein paar Flaschen Wasser ab. Toll.
Das Schöne an den chinesischen Bauarbeitern ist, dass sie einen nicht blöd anquatschen, geschweige denn hinterherpfeifen. Gut, es fährt schon mal einer mit dem Fahrrad gegen einen Baum, weil er sich beim Gucken den Hals verrenkt. Aber das ist halt so, wenn man als einziger Ausländer auf einer chinesischen Baustelle wohnt.
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Home Sweet Home
pekingsommer, 05:41h

Dumm gelaufen. Ich habe mich allerdings gefragt, was mit dem Auto passiert wäre, hätte es auf dem bis dahin regulären Parkplatz rechts im Bild gestanden.

Mein Block.

Meine Straße (ohne Namen - Adressen taugen zur Orientierung in Peking ohnehin nur bedingt)

Voilà - doggie. Der wahrscheinlich hübscheste Haushund Chinas. Die man sonst so sieht sind entweder Katzenformat oder Knautschzonenoptik. Kann leider nur Chinesisch.

Chinesischer Mauerbau - dieser Abschnitt ist an einem Vormittag aus dem Nichts entstanden.
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Angekommen.
pekingsommer, 05:03h
Auf dem Weg zum Supermarkt war sie noch da. Als ich vom Einkaufen wiederkam, klaffte dort, wo vorher eine mannshohe Mauer das Grundstück zu meinem Appartementkomplex einschloss, ein Loch. Außerdem stand das Häuschen des Wachmanns plötzlich auf der anderen Straßenseite und als ich heute früh aus dem Fenster schaute, zogen dutzende der sagenumwobenen „Wanderarbeiter“ eine neue Mauer an einer anderen Stelle hoch. Zum Mittag war sie fertig.
Manche Dinge gehen schnell in China. Das gilt nicht für den Verkehr oder Kinokartenverkäuferinnen. Im Falle des Verkehrs ist das auch ganz gut so, weil Karambolagen bei Schritttempo weniger Schaden anrichten - und die sind zahlreich.
Meine Mitbewohnerin bzw. Vermieterin Saja ist wahrscheinlich die einzige Chinesin, die jemals an einer roten Fußgängerampel stehen geblieben ist. Nicht, dass es wirklich viel Unterschied macht, ob man bei rot oder grün geht. Denn erstaunlicherweise kreuzen bei grün beinahe genauso viele Autos, Mofas und Fahrräder den Fußgängerüberweg wie bei rot und das aus allen Himmelsrichtungen.
Saja ist der englische Name meiner Mitbewohnerin, den chinesischen übe ich noch. Weil unser WG-Hund (nein, er war nie für den Kochtopf bestimmt, das sind bösartige Vorurteile) keinen englischen Namen hat und ich seinen richtigen nicht aussprechen kann, nenne ich ihn wahlweise "dog" oder "Scheißköter" - letzteres wenn wir unter uns sind und er versucht, mich durch lautes Bellen aus der Wohnung zu treiben.
Beim Abendessen mache ich dann meist mit Saja Kulturaustausch im weitesten Sinne. So lerne ich im Kleinen viel Neues über das Land und bekomme auf vieles, das ich sonst nur aus Büchern kannte, eine andere Perspektive. Sajas Großvater war Mitglied der Kuomintang, die vor den Kommunisten über China herrschten. Er floh nach Taiwan, als die Kommunisten die Regierung übernahmen. Wegen seiner Familie kam er aber zurück, wurde festgenommen, verschleppt und kehrte erst nach mehr als 20 Jahren aus einem Gefangenenlager irgendwo im Niemandsland zurück. Wir kommentieren selten das, worüber wir sprechen – ich vermutlich noch seltener als Saja. Das wäre dann vielleicht das nächste Stadium des Kulturaustauschs.
Und wer sich jetzt vielleicht schon Sorgen um mein die Diplomarbeit betreffendes Vorankommen machte – auch damit beschäftige ich mich und die Interviews laufen super. Bisher wehrt sich die Realität wieder einmal vehement gegen die Theorie – was ja so eine empirische Arbeit auch irgendwie erst interessant macht.
Manche Dinge gehen schnell in China. Das gilt nicht für den Verkehr oder Kinokartenverkäuferinnen. Im Falle des Verkehrs ist das auch ganz gut so, weil Karambolagen bei Schritttempo weniger Schaden anrichten - und die sind zahlreich.
Meine Mitbewohnerin bzw. Vermieterin Saja ist wahrscheinlich die einzige Chinesin, die jemals an einer roten Fußgängerampel stehen geblieben ist. Nicht, dass es wirklich viel Unterschied macht, ob man bei rot oder grün geht. Denn erstaunlicherweise kreuzen bei grün beinahe genauso viele Autos, Mofas und Fahrräder den Fußgängerüberweg wie bei rot und das aus allen Himmelsrichtungen.
Saja ist der englische Name meiner Mitbewohnerin, den chinesischen übe ich noch. Weil unser WG-Hund (nein, er war nie für den Kochtopf bestimmt, das sind bösartige Vorurteile) keinen englischen Namen hat und ich seinen richtigen nicht aussprechen kann, nenne ich ihn wahlweise "dog" oder "Scheißköter" - letzteres wenn wir unter uns sind und er versucht, mich durch lautes Bellen aus der Wohnung zu treiben.
Beim Abendessen mache ich dann meist mit Saja Kulturaustausch im weitesten Sinne. So lerne ich im Kleinen viel Neues über das Land und bekomme auf vieles, das ich sonst nur aus Büchern kannte, eine andere Perspektive. Sajas Großvater war Mitglied der Kuomintang, die vor den Kommunisten über China herrschten. Er floh nach Taiwan, als die Kommunisten die Regierung übernahmen. Wegen seiner Familie kam er aber zurück, wurde festgenommen, verschleppt und kehrte erst nach mehr als 20 Jahren aus einem Gefangenenlager irgendwo im Niemandsland zurück. Wir kommentieren selten das, worüber wir sprechen – ich vermutlich noch seltener als Saja. Das wäre dann vielleicht das nächste Stadium des Kulturaustauschs.
Und wer sich jetzt vielleicht schon Sorgen um mein die Diplomarbeit betreffendes Vorankommen machte – auch damit beschäftige ich mich und die Interviews laufen super. Bisher wehrt sich die Realität wieder einmal vehement gegen die Theorie – was ja so eine empirische Arbeit auch irgendwie erst interessant macht.
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