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Mittwoch, 8. August 2007
Die Beach-Bräute von der deutschen Halbinsel
pekingsommer, 07:31h
"De guo, de guo", wiederholt der Taxifahrer nickend und zeigt dabei auf den Boden seines rostigen VW-Santana. Deutschland heißt das, wörtlich "Tugendland", das krieg ich noch hin. Aber ob er damit das Auto deutschen Ursprungs oder die Straße meint, wird mir irgendwie nicht klar. Beides wäre möglich.
Drei Versprechen waren es, die uns die 890 Kilometer von Peking in die Küstenstadt Qingdao zurücklegen ließen: schöner Strand, gute Luft und deutsche Architektur (sollte es tatsächlich eine chinesische Stadt geben, die sich von den anderen Großstädten unterscheidet?).
Die "Grüne Stadt" am Gelben Meer stand von 1897 bis 1914 unter deutscher Verwaltung (man könnte auch Herrschaft sagen). Den gewaltsamen Tod zweier Missionare hatte die Reichsregierung Preußens zum Anlass genommen, mit Hilfe der Überzeugungsarbeit ihrer Marine ein Stückchen Land als Handelsstützpunkt einzufordern.
"De guo!" Auf der Fahrt vom neuen Teil Qingdaos in die Altstadt ist tatsächlich immer weniger neues China und immer mehr altes Deutschland zu sehen. Und der Taxifahrer hat seine Mission als Stadtführer noch nicht aufgegeben. Während er wild die Spuren wechselnd durch den feierabendlichen Verkehr kurvt, deutet er strahlend zu seiner Rechten, auf der eben eine Hochhaussiedlung vorbeizieht und ein irgendwie nicht ins Bild passendes Gebäude auftaucht. "De guo!" Unverkennbar. Wir passieren gerade das wohl einflussreichste Überbleibsel der damaligen Zeit: Die 1903 von den Deutschen gegründete Brauerei, die bis heute eine der beliebtesten chinesischen Biersorten hervorbringt (Tsingtao).
Eine sehr eng geschnittene Kurve und mehrere Serpentinen später stehen wir vor der alten Sternwarte auf einem der Hügel, über die sich die Stadt spannt. Da in einer Sehenswürdigkeit wohnen besonders viel Spaß macht, haben wir uns hier eingemietet. Außerdem hat man beste Sicht auf die schmalen Gassen der Stadt, die katholische Kirche, ehemalige Residenzen und schließlich das Meer.
Das erste Versprechen hat sich also tatsächlich erfüllt: Die Altstadt ist hübsch. Es gibt nur wenige Hochhäuser, alles in allem hat Qingdao einen leicht morbiden, eher südeuropäischen Charme. Und auch das Versprechen besserer Luft hält die Stadt. Vom Meer her weht konstant eine leichte Brise, wenn ein leichter Grauschleier die Sicht vernebelt kann man davon ausgehen, dass es hier kein Smog oder Baustaub ist.

Derart motiviert wollten wir jetzt auch das dritte Versprechen einlösen: Wir machten uns auf dem Weg zum Strand. Zugegeben, ein bisschen Naivität war da schon im Spiel. Ich muss nämlich ergänzen, dass es meine chinesische Mitbewohnerin war, die uns Qingdao als Beachparadies ans Herz gelegt hat (und unser chinesischer Nachbar, der das bestätigt hat, kommt gebürtig aus Qingdao). Soll heißen: Wir teilten offenbar nicht unbedingt die selben Vorstellungen von "schön".

Ein Stück weiter fanden wir aber schließlich doch einen hübschen Strand, der nicht ganz so zugepackt war mit Sonnenschirmen, Zelten und Handtüchern. Gegen eine moderate Eintrittsgebühr von 2 Yuan (umgerechnet knapp 20 Cent) erkauften wir uns einen Tag am Meer. Und die Gelegenheit für zahlreiche interessante Sozialstudien. Chinesische Pärchen sind mein aktuelles Lieblingsforschungsobjekt.
Heuer (man erlaube mir die Verwendung dieses österreichischen Ausdrucks, der mir eine Wortwiederholung erspart) ist das Jahr des Schweins und damit ein besonders gutes für Hochzeiten. Obwohl die überwältigende Mehrheit der Chinesen mit christlichem Glauben nichts am Hut hat, heiraten die meisten gerne in weiß mit viel Tamtam. Zu letzterem gehören offenbar besonders besondere Hochzeitsfotos mit romantischem Hintergrund. Und weil Meer und Strand wohl landläufig als romantische Kulissen gelten, lauern in Qingdao hinter jedem Stein und jedem Busch Bräute und Bräutigamme samt Fotoentourage.



Bis auf das Bier und die vereinzelt auftauchende deutsche Architektur ist nicht allzu viel übrig geblieben von dem kurzen Kolonial-Intermezzo an der chinesischen Küste. Aber etwas Neues gibt es doch in Sachen deutsch-chinesische Beziehungen und das möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten: Conny und ich werden demnächst Karriere machen - als Mitglieder einer deutsch-chinesischen Girlband.


Hier gibt´s mehr Fotos aus Qingdao...
Drei Versprechen waren es, die uns die 890 Kilometer von Peking in die Küstenstadt Qingdao zurücklegen ließen: schöner Strand, gute Luft und deutsche Architektur (sollte es tatsächlich eine chinesische Stadt geben, die sich von den anderen Großstädten unterscheidet?).
Die "Grüne Stadt" am Gelben Meer stand von 1897 bis 1914 unter deutscher Verwaltung (man könnte auch Herrschaft sagen). Den gewaltsamen Tod zweier Missionare hatte die Reichsregierung Preußens zum Anlass genommen, mit Hilfe der Überzeugungsarbeit ihrer Marine ein Stückchen Land als Handelsstützpunkt einzufordern.

Eine sehr eng geschnittene Kurve und mehrere Serpentinen später stehen wir vor der alten Sternwarte auf einem der Hügel, über die sich die Stadt spannt. Da in einer Sehenswürdigkeit wohnen besonders viel Spaß macht, haben wir uns hier eingemietet. Außerdem hat man beste Sicht auf die schmalen Gassen der Stadt, die katholische Kirche, ehemalige Residenzen und schließlich das Meer.
Das erste Versprechen hat sich also tatsächlich erfüllt: Die Altstadt ist hübsch. Es gibt nur wenige Hochhäuser, alles in allem hat Qingdao einen leicht morbiden, eher südeuropäischen Charme. Und auch das Versprechen besserer Luft hält die Stadt. Vom Meer her weht konstant eine leichte Brise, wenn ein leichter Grauschleier die Sicht vernebelt kann man davon ausgehen, dass es hier kein Smog oder Baustaub ist.

Derart motiviert wollten wir jetzt auch das dritte Versprechen einlösen: Wir machten uns auf dem Weg zum Strand. Zugegeben, ein bisschen Naivität war da schon im Spiel. Ich muss nämlich ergänzen, dass es meine chinesische Mitbewohnerin war, die uns Qingdao als Beachparadies ans Herz gelegt hat (und unser chinesischer Nachbar, der das bestätigt hat, kommt gebürtig aus Qingdao). Soll heißen: Wir teilten offenbar nicht unbedingt die selben Vorstellungen von "schön".

Ein Stück weiter fanden wir aber schließlich doch einen hübschen Strand, der nicht ganz so zugepackt war mit Sonnenschirmen, Zelten und Handtüchern. Gegen eine moderate Eintrittsgebühr von 2 Yuan (umgerechnet knapp 20 Cent) erkauften wir uns einen Tag am Meer. Und die Gelegenheit für zahlreiche interessante Sozialstudien. Chinesische Pärchen sind mein aktuelles Lieblingsforschungsobjekt.
Heuer (man erlaube mir die Verwendung dieses österreichischen Ausdrucks, der mir eine Wortwiederholung erspart) ist das Jahr des Schweins und damit ein besonders gutes für Hochzeiten. Obwohl die überwältigende Mehrheit der Chinesen mit christlichem Glauben nichts am Hut hat, heiraten die meisten gerne in weiß mit viel Tamtam. Zu letzterem gehören offenbar besonders besondere Hochzeitsfotos mit romantischem Hintergrund. Und weil Meer und Strand wohl landläufig als romantische Kulissen gelten, lauern in Qingdao hinter jedem Stein und jedem Busch Bräute und Bräutigamme samt Fotoentourage.



Bis auf das Bier und die vereinzelt auftauchende deutsche Architektur ist nicht allzu viel übrig geblieben von dem kurzen Kolonial-Intermezzo an der chinesischen Küste. Aber etwas Neues gibt es doch in Sachen deutsch-chinesische Beziehungen und das möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten: Conny und ich werden demnächst Karriere machen - als Mitglieder einer deutsch-chinesischen Girlband.


Hier gibt´s mehr Fotos aus Qingdao...
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