Samstag, 21. Juli 2007
Taxi nach Babylon
pekingsommer, 09:46h
Mein Chinesisch ist unterirdisch. Aber man kann mir immerhin nicht den Vorwurf machen, es nicht zu versuchen. Jeden Abend übe ich mit meiner Mitbewohnerin ein paar Sätze. Oft endet das damit, dass sie die Stirn in Falten legt, "I think I know what you mean" sagt - und ich es aufgebe.
Neulich war ich aber ganz stolz, dass ich eine Haltestelle, zu der ich regelmäßig fahren muss, gut ausgesprochen habe. Saja sah zufrieden aus ob Ihres Lehrerfolgs. Mit einem derart gestärkten Selbstbewusstsein ausgestattet habe ich mir also ein Taxi herangewunken.
Und dann passiert immer das Gleiche: Ich sage mein Sätzchen, der Taxifahrer sagt etwas, das mit viel Phantasie irgenwie ähnlich klingt, ich wiederhole mein Sätzchen mit einem guten Einschlag seiner Betonung und irgendwann treffen wir uns in der Mitte (zu dem Zeitpunkt habe ich dann meist schon meinen Stadtplan rausgeholt, um zumindest sicherzugehen, dass wir in die richtige Himmelsrichtung fahren).
Das hat mir wirklich Kopfzerbrechen bereitet. Dann habe ich versucht, mir die Situation in Deutschland vorzustellen: Saja besucht mich sagen wir in Köln. Ich erkläre ihr auf Oberpinzgauerisch, wie Sie ein Taxi nach Köln-Zollstock bestellt (ob sie da jemals hinfahren würde, ist für das Beispiel nicht entscheidend) und übe mit ihr die Aussprache - also sowas wie Köhn Zoajstook. Und weil das nicht schon aussichtslos genug ist, kommt der Taxifahrer aus Delitzsch nahe Leipzig. Irgendwie ist immer Deutsch im Spiel. Irgendwie.
Tja, und in China gibt es nicht nur jede Menge Dialekte, sondern auch einige unterschiedliche Sprachen. Was zur Folge hat, dass auch Chinesen mancherorts Schwierigkeiten haben, sich untereinander zu verständigen (jedenfalls gesprochen).

Herkunft der Karte: http://schiller.dartmouth.edu/chinese/maps/maps.html (21.07.2007)
Was meine Sprachfortschritte angeht, kommt noch die Sorge dazu, jemanden zu beleidigen, weil ich ein Wort falsch betone. Ein sehr beliebtes und eingängiges Beispiel ist das kleine Wörtchen "ma". In den vier Tonhöhen hat es die Bedeutungen Mama, Pferd, Hanf und schimpfen. Da brauchts nicht viel Phantasie sich auszumalen, was da rauskommen kann.
Olympia sei dank können Westler zumindest im kommenden Jahr ihre Lernfaulheit kultivieren. In Peking sollen nach offiziellen Angaben in der zweiten Jahreshälfte (2007) 93000 Taxifahrer Englisch lernen, damit die vielen Ausländer, die kommendes Jahr hier einfallen, nicht verloren gehen (was dank Meldepflicht etc. eh nicht so leicht ist, aber das ist ein anderes Thema).
Außerdem kursieren schon Geschichten über alte Menschen, die sich in den Parks der Stadt treffen, um Englisch zu üben. Und ein extra Buch gibts auch für alle Chinesen, die mit den Ausländern zu tun bekommen könnten (also potentiell alle, die vielleicht auch noch irgendein Geschäft machen wollen). Da stehen mehrere hundert "nützliche" Dialoge drin, zum Beispiel so etwas (Gedächtnisprotokoll):
"Möchten Sie eine Fußmassage?"
"Gerade habe ich keine Zeit, aber könnte ich für morgen Vormittag einen Termin vereinbaren?"
"Vormittags sind wir immer ziemlich ausgebucht. Aber nachmittags ginge."
"Das ist toll, danke."
"Nichts zu danken."
Bis alle Englisch sprechen, gehört ein bisschen Improvisation zum Taxifahren dazu - und da sind manche Taxifahrer sogar besser als ich. Viele meiner Termine sind in der Nähe einer sehr bekannten Kneipenstraße, zu der ich mich in der Regel fahren lasse. Als ich den dritten Aussprechanlauf starte, erhellen sich die Gesichtszüge des Fahrers, er grinst mich wissend an, hebt ein imaginäres Glas zum Mund und ruft: "Ah, Oookay!"
Neulich war ich aber ganz stolz, dass ich eine Haltestelle, zu der ich regelmäßig fahren muss, gut ausgesprochen habe. Saja sah zufrieden aus ob Ihres Lehrerfolgs. Mit einem derart gestärkten Selbstbewusstsein ausgestattet habe ich mir also ein Taxi herangewunken.
Und dann passiert immer das Gleiche: Ich sage mein Sätzchen, der Taxifahrer sagt etwas, das mit viel Phantasie irgenwie ähnlich klingt, ich wiederhole mein Sätzchen mit einem guten Einschlag seiner Betonung und irgendwann treffen wir uns in der Mitte (zu dem Zeitpunkt habe ich dann meist schon meinen Stadtplan rausgeholt, um zumindest sicherzugehen, dass wir in die richtige Himmelsrichtung fahren).
Das hat mir wirklich Kopfzerbrechen bereitet. Dann habe ich versucht, mir die Situation in Deutschland vorzustellen: Saja besucht mich sagen wir in Köln. Ich erkläre ihr auf Oberpinzgauerisch, wie Sie ein Taxi nach Köln-Zollstock bestellt (ob sie da jemals hinfahren würde, ist für das Beispiel nicht entscheidend) und übe mit ihr die Aussprache - also sowas wie Köhn Zoajstook. Und weil das nicht schon aussichtslos genug ist, kommt der Taxifahrer aus Delitzsch nahe Leipzig. Irgendwie ist immer Deutsch im Spiel. Irgendwie.
Tja, und in China gibt es nicht nur jede Menge Dialekte, sondern auch einige unterschiedliche Sprachen. Was zur Folge hat, dass auch Chinesen mancherorts Schwierigkeiten haben, sich untereinander zu verständigen (jedenfalls gesprochen).

Herkunft der Karte: http://schiller.dartmouth.edu/chinese/maps/maps.html (21.07.2007)
Was meine Sprachfortschritte angeht, kommt noch die Sorge dazu, jemanden zu beleidigen, weil ich ein Wort falsch betone. Ein sehr beliebtes und eingängiges Beispiel ist das kleine Wörtchen "ma". In den vier Tonhöhen hat es die Bedeutungen Mama, Pferd, Hanf und schimpfen. Da brauchts nicht viel Phantasie sich auszumalen, was da rauskommen kann.
Olympia sei dank können Westler zumindest im kommenden Jahr ihre Lernfaulheit kultivieren. In Peking sollen nach offiziellen Angaben in der zweiten Jahreshälfte (2007) 93000 Taxifahrer Englisch lernen, damit die vielen Ausländer, die kommendes Jahr hier einfallen, nicht verloren gehen (was dank Meldepflicht etc. eh nicht so leicht ist, aber das ist ein anderes Thema).
Außerdem kursieren schon Geschichten über alte Menschen, die sich in den Parks der Stadt treffen, um Englisch zu üben. Und ein extra Buch gibts auch für alle Chinesen, die mit den Ausländern zu tun bekommen könnten (also potentiell alle, die vielleicht auch noch irgendein Geschäft machen wollen). Da stehen mehrere hundert "nützliche" Dialoge drin, zum Beispiel so etwas (Gedächtnisprotokoll):
"Möchten Sie eine Fußmassage?"
"Gerade habe ich keine Zeit, aber könnte ich für morgen Vormittag einen Termin vereinbaren?"
"Vormittags sind wir immer ziemlich ausgebucht. Aber nachmittags ginge."
"Das ist toll, danke."
"Nichts zu danken."
Bis alle Englisch sprechen, gehört ein bisschen Improvisation zum Taxifahren dazu - und da sind manche Taxifahrer sogar besser als ich. Viele meiner Termine sind in der Nähe einer sehr bekannten Kneipenstraße, zu der ich mich in der Regel fahren lasse. Als ich den dritten Aussprechanlauf starte, erhellen sich die Gesichtszüge des Fahrers, er grinst mich wissend an, hebt ein imaginäres Glas zum Mund und ruft: "Ah, Oookay!"
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nicole scherschun,
Dienstag, 24. Juli 2007, 04:04
Mein Yoruba ist auch unterirdisch...
Beim Lesen deines Textes fühle ich mich zurückversetzt nach Lagos. Yoruba-Class, August 2006. Julia und ich wiederholen immer und immer wieder einfache Wörter und Sätze auf Yoruba. Ko tokpe! - Nichts zu danken!. Kil oruko e? - Wie heißt du? Unsere Lehrerin und Freundin Anu lächelt uns an und nickt. Julia und ich freuen uns tierisch, dass wir es gut aussprechen. Am Abend zu Hause bei unserer Gastmama dann die Enttäuschung: Ko tokpe! - Sorry, what did you just say? - Ko tokpe! - Is that German? - No, it's Yoruba. Ko tokpe! - Oh, ko tokpe!
Meine Ohren hören den Unterschied zwischen ihrem und meinem Satz nicht wirklich, aber diese Situation gab es noch viele, viele Male.
Meine Ohren hören den Unterschied zwischen ihrem und meinem Satz nicht wirklich, aber diese Situation gab es noch viele, viele Male.
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