Samstag, 21. Juli 2007
Ich will ein Wurstbrot
Neulich habe ich von einem Wurstbrot geträumt. Eine Scheibe dunkles Brot mit ein bisschen Butter, Bauernschinken und zur Krönung ein in dünne Streifen geschnittenes Essiggürkchen.

Die Individualtouristenehre verbietet es einem ja eigentlich. Schon der Gedanke daran, anderes als "einheimisches" Essen zu verzehren, kann schwere Gewissensnöte verursachen - schließlich will man ja nicht einer dieser unausstehlich unflexiblen Ausländer sein, die zwar möglichst weit weg fahren, dann aber doch am liebsten Bratwurst und Burger essen (auch wenn sie das zu Hause nie tun).

Aber ehrlich: Drei Mahlzeiten am Tag müssen schon sein. Und dreimal chinesisches Essen täglich geht nicht. Jedenfalls nicht zwei Monate in Folge.

Bei mir geht das deshalb nicht, weil meine Lieblingsmahlzeit das Frühstück ist. Je besser das Frühstück, desto erfolgversprechender der Tag. Mit der Einstellung bin ich hier ziemlich gekniffen, denn obwohl ich lieber herzhaft als Marmeladenbrot esse - scharfe, heiße Nudelsuppe auf nüchternen Magen pack ich nicht.

Und weil mir Cheerios mit Wassermilch auch schon wieder zum Hals raushängen, habe ich bereits nach knapp zwei Wochen den Weg zur deutschen Fleischerei gefunden. Die ist praktischerweise ganz in der Nähe der "Süddeutschen Bäckerei Café Konstanz". (Wenn man vor dem mit rustikalen Balken und Blumenkästen verkleideten - im wahrsten Wortsinn - Haus steht, schallt ein lautes "KONNSCHTANNZ" durch den Kopf.)

Mit meiner Brot-Salami-Gouda-Beute kam ich stolz wie Hans nach Hause, hatte sie gerade im Kühlschrank neben den Dumplings und tausendjährigen Eiern verstaut (dazu später mehr), als meine Mitbewohnerin in die Küche kam. Und sorry Leute: Sie denkt jetzt, alle Deutschen essen zum Frühstück wie zum Abendessen immer trocken Brot mit Käse.

Der Hund liebt den Käse. Saja nicht so. Hier sei eine Verallgemeinerung erlaubt: Chinesen sind sehr stolz auf ihr Essen und ein bisschen skeptisch gegenüber Dingen, die von außerhalb kommen (aber das soll ja bei Franzosen ähnlich sein). Und weil ich die Ehre Deutschlands nicht ganz ruinieren will, probiere ich ganz tapfer immer alles, was Saja kocht.

Und jetzt kommt die gute Nachricht: Chinesisches Essen ist superlecker und hat übrigens mit dem chinesischen Essen, das es bei uns zu kaufen gibt, wenig zu tun. Viel frisches Gemüse, überhaupt nicht viel Fett, Fisch, Fleisch - ausgewogen würde ich sagen. Und alles lässt sich mit wenig Geschirr bestreiten: Schale, Stäbchen, gut ists. Leider gibts in unserer Küchenausstattung auch nicht wesentlich mehr, also keine Teller oder Messer, was die Umsetzung meiner Wurstbrotphantasien doch erheblich erschwert.

Auswärts chinesisch zu essen ist sehr günstig, birgt aber gewisse Risiken. In Kanton gibt es ein Sprichwort, das sinngemäß besagt, sie essen alles zwischen Himmel und Erde (was Hunde, Ratten, komische Vögel und Insekten einschließt). So ist das hier im Norden nicht, aber auch hier gibts einfach Sachen, die ich nicht mag. Als da wären Hühnerfüße am Stil und andere klar zu identifizierende Körperteile von Tieren, Schleimpilze und Innereien.

Und eben die tausendjährigen Eier. Sie Seite "Kochbuch-und-Kuechenhilfe.de" schreibt dazu: "Um Eier länger lagern zu können kamen findige Chinesen in grauer Vorzeit auf die Idee, sie mehrere Monate lang (ca. 100 Tage) in einer Mischung aus Kalk, Holzkohlenasche, Erde, Reisschalen und Salzwasser zu konservieren. Während dieser Lagerzeit tritt eine Art Edelfäule ein, bei der das Eiweiß durch enzymatischen Abbau gelatineartig wird und eine Farbe wie Bernstein annimmt. Das Eigelb wird grün und quarkartig. Der bei dieser Fäulnis entstehende Geruch ist nicht jedermanns Sache." Dem stimme ich zu.

Essen ist hier das Top-Thema. Und nicht nur bei den Chinesen, in deren Tradition Essen eine sehr wichtige Rolle spielt (zum Beispiel fragt man, wenn man gute Bekannte trifft, "Hast Du schon gegessen?", was so ein Ausdruck ist wie "How are you?" und bitte nicht ernsthaft beantwortet werden soll).

Auch die Ausländer verbringen viel Zeit damit, Tipps für Restaurants auszutauschen und eben solche zu testen. Vor allem geht es um die Frage, wo man gutes, nicht allzu teures und vor allem nicht-chinesisches Essen bekommt. Die Deutschen, die ich hier kennengelernt habe, beschäftigen sich schon länger mit einem Projekt, das mir sehr entgegen kommt: Der Suche nach einem richtig leckeren Frühstück.

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ich will auch ein Wurstbrot!

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Das kenne ich zufällig auch...
Liebe Sandra,
schon der zweite Text, der mich in Erinnerungen schwelgen lässt. Auch die Nigerianer oder sagen wir mal generell Afrikaner haben es nicht so mit Brot und Wurst und Käse. Sie essen drei Mal täglich deftig. Reis und frittierte Kochbanane zum Frühstück ist normal, nur nicht für meinen Magen. Und hat der sich dann einmal doch daran gewöhnt, streikt bald der Appetit. Kurz: Man mag keinen Reis mehr sehen oder sonstige deftige Speisen zum Frühstück. Auch die Pappe-Cornflakes mit (ebenfalls) Wassermilch hängen einem förmlich zum Halse heraus. Folge: Ich wollte ein Käsebrot. Leider nur gibt es diesen in Nigeria nur in Schmelzkäse oder Scheiblettenform zu astronomischen Preisen. Ein tolles Schwarzbrot ist auch nicht aufzutreiben. Die Befriedigung nach zwei Monaten Reis zum Frühstück: afrikanisches Käsebrot - also süßliches Weißbrot mit Schmelzkäse. Das war ein Genuss!
P.S.: Wenn du noch mehr wissen willst. Ich habe gerade einen Eintrag zum Essen in meinem Weblog veröffentlicht. www.donews.de/~scherschun

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Es wartet ein Wurstbrot
Hallo Sandra,
ich denke, ich kann sehr gut nach vollziehen, welche Sehnsucht dich quält. Da brauch man garnicht mal so weit zu reisen. Wenn ich längere Zeit in Sachsen und nicht zu hause in Hessen war, geht mir ein gutes hessisches Bauernbrot mit "Rut Worscht", wie wir sagen, schon mächtig ab.
Wenn du wieder zurück bist machen wir eine flotte Wurstbrotparty. So long wie der Chinese sagt.

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Also, ich weiß nicht...
Hallo Sandra!
Durch mein Semester in Holland kann ich zwei Dinge bestätigen: Nach frischem Körnerbrot zu suchen kann manchmal ein hoffnungsloses Unterfangen sein und asiatische Nudeln zum Frühstück sind wirklich eine große Herausforderung. Meine vietnamesischen Mitbewohner hatten damit beide Hängeschränke über der Spüle belegt und aßen das Zeug zu jeder Tageszeit. Irritiert war ich allerdings als ich gelesen habe, dass Du chinesisches Essen lecker findest. Stimmt schon, dass das wenig mit der Nummer 31 (Chop Sui) vom China-Mann gemein hat. Aber lecker??!!?!??? Vor kurzem hat Ing (die Arme wird hier von allen nur Inge genannt, weil sich angeblich niemand ihren Namen merken kann) für Torben und seine Freunde gekocht. Ich war auch eingeladen. Ing kommt aus China, hat in Peking studiert und promoviert zurzeit in Münster. Allein die Art und Weise wie sie die Hähnchenschenkel beim Zubereiten maltretiert hat, war schon Besorgnis erregend. Aber das Ergebnis war noch viel schlimmer - und da waren wir uns alle einig. Zum einen war dieser "chinesische Eintopf" saumäßig scharf. Zum anderen hatte sie als besondere Überraschung so komische kleine Kügelchen unters Essen gemischt. Darauf zu beißen, muss für einen Durchschnitts-Europäer der Tod sein. Ich konnte das zum Glück nur beobachten... Und diese zerrupften Hähnchenschenkel samt Sehnen, Knorpel und was es da sonst noch so gibt, die zerfleddert darin rum schwammen ... Von lecker und fettarm kann da wirklich nicht die Rede sein. Zur Krönung gab es als Beilag noch etwas, das als Gurkensalat getarnt war. Frag mich nicht, was es war. Es hat undefinierbar geschmeckt.

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Huhu
Hallo Sandra!

Was du hier so machst, kommt mir ziemlich bekannt vor... damit du weisst, was ich alles meine, kannst du ja mal bei mir vorbeischauen:

anneinchina.blogger.de

Schoenen Blog hast du! ;)

Viele Gruesse aus Taicang
Anne

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